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Weg da das ist mein Fettnapfchen

Weg da das ist mein Fettnapfchen

Titel: Weg da das ist mein Fettnapfchen
Autoren: Notaro Laurie
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die Umarmungsabenteuerlust packte.
    Ich war für ein paar Tage nach Seattle gefahren und traf mich mit einer Freundin zum Kaffeetrinken. Ich hatte sie ein Jahr zuvor bei einem Schreibseminar kennengelernt und mochte sie und ihren Mann sehr gern. Wir hatten eine sehr schöne Zeit verbracht, hatten leckeren Wein getrunken und uns prächtig amüsiert.
    Ich war begeistert, als sie meinte, sie nehme sich den Nachmittag nur für mich frei. Wir trafen uns und gingen zu Fuß zu einem kleinen Café. Als wir zwei Stunden später die letzten Reste unseres Schokoladenkuchens verdrückten, ging plötzlich ein heftiger Regenguss nieder. In diesem Augenblick läutete das Telefon meiner Freundin. Es war ihr Mann, der sich erbot, uns mit dem Wagen abzuholen, damit wir nicht zu Fuß zu meinem Hotel zurückgehen mussten.
    Das ist doch nett, oder? Fürsorglich und nett. So empfand ich es jedenfalls, denn obwohl der Weg zum Hotel nicht allzu weit war, wären wir nass bis auf die Knochen gewesen. Diese Gedanken hatte ich im Kopf, als wir vor dem Hotel anhielten, und gelangte zu dem Schluss, dass diese Situation sämtliche Kriterien für eine Zwei-Sekunden-Umarmung erfüllte. Nein, beschloss ich, lieber nur die Hand schütteln. Nicht vorschnell sein. Du bist noch nicht bereit dafür.
    Du bist nicht bereit!
    Mein Entschluss, es bei einem Handschlag oder einem freundlichen Winken bewenden zu lassen, schien absolut perfekt zu sein, doch ehe ich mich’s versah, streckte ich die Arme in Richtung Fahrersitz aus. Ich wurde jedoch abrupt zurückgerissen, weil ich vergessen hatte, meinen Sicherheitsgurt zu lösen. Kaum wurde ich so unsanft auf den Sitz zurückkatapultiert, kam die Erkenntnis – es war keine gute Idee, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Ein Rückzieher war ausgeschlossen. Ich musste es zu Ende bringen. Man kann nicht die Arme ausbreiten, es sich dann anders überlegen und versuchen, stattdessen den anderen abzuklatschen. Als ich mich also von meinem Gurt befreit hatte, blieb mir nichts anderes übrig, als zu einem neuerlichen Versuch anzusetzen; das Problem war nur, dass ich die Kunst der körperlichen Logistik nicht einmal ansatzweise beherrschte. Ich hing also mit dem Oberkörper über der Mittelkonsole, legte den rechten Arm um den Mann meiner Freundin, während mein linker Arm zwischen dem Sitz und seinem Rücken klemmte und unkontrolliert zu zucken begann. Meine Freundin beobachtete das Szenario indessen vom Rücksitz aus. Als ich mich endlich von ihm löste, hatte ich ihm nicht nur meinen vom Regen feuchten Haarschopf mitten ins Gesicht gedrückt, sondern eine glatte Fünf-Sekunden-Umarmung hingelegt – die wahrscheinlich unangemessenste Umarmung der Weltgeschichte.
    Im Übrigen bin ich nicht die Einzige in meiner Familie, die gegen die gängigen Gepflogenheiten zwischenmenschlicher Berührungen verstößt. Mein Vater schoss den Vogel ab, als er um die Jahrtausendwende anfing, plötzlich allen Leuten zur Begrüßung und zum Abschied Küsse auf die Wangen zu drücken – eine Neuerung, die ich nur auf die Tatsache zurückführen konnte, dass er eine Reise in das Land seiner Vorfahren, nach Italien, unternommen hatte. Wir alle versuchten, es locker zu nehmen, da es sich lediglich um in die Luft gehauchte Küsse handelte, aber dann stellte er in seiner Garage auch noch ein grün-weiß-rotes Schild mit der Aufschrift »Parken nur für Italiener« auf. Der Mann war unübersehbar auf dem Vaterlandstrip. Als Nächstes kam die Pseudoumarmung, die darin bestand, einem die Hand auf die Schulter zu legen, bevor er sich zum Kuss vorbeugte. Es war keine richtige Umarmung, sondern eher eine Art Wrestlinggriff, dem man sich nicht entziehen konnte, ohne zu kollabieren oder einen Raketenrucksack zu zünden.
    2003, als mein künftiger Schwager Greg in unser Leben trat, war das Geburtsjahr des Dopplers, der auf dem Kuss und der Pseudoumarmung basierte und um einen zweiten Kuss erweitert wurde – ja, Sie haben richtig gelesen, ein Zwillingskuss. Eine Zeitlang kam lediglich Greg in den Genuss des Dopplers, und da er neu war in unserer Familie, musste er glauben, dass in dieser Kultur eben alles ein klein wenig anders war und wir uns schlicht und einfach noch nicht hundertprozentig den amerikanischen Gepflogenheiten angepasst hatten. Immerhin stand ein Schild in unserer Garage, das es seinesgleichen verbot, ihren Wagen dort abzustellen. Als mein Dad merkte, dass ihm kein nennenswerter Widerstand entgegenschlug, begann er, auch die anderen
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