Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weg da das ist mein Fettnapfchen

Weg da das ist mein Fettnapfchen

Titel: Weg da das ist mein Fettnapfchen
Autoren: Notaro Laurie
Vom Netzwerk:
hineingestopft, jawohl!«
    Ich habe es nicht besser verdient, schoss es mir unvermittelt durch den Kopf. Das habe ich mir selbst eingebrockt. Ich verdiene es, in dieser Bluse gefangen zu sein. Angebunden wie ein Kalb. Wie dämlich. Komplett dämlich. Und nur weil sie heruntergesetzt ist, musste ich diese Bluse anprobieren. Ich bin so was von selbst schuld. Vielleicht sollte ich ja morgen zu Baby Gap gehen und mal probieren, ob ich in einen Strampler passe. Ich meine, was habe ich mir nur dabei gedacht? Und soll ich Ihnen verraten, was als Nächstes passiert? Die Feuerwehr muss kommen und mich aus dieser Bluse rausschneiden. Das wird passieren. Ich hasse diese Bluse, ich kann sie nicht leiden, und ich will sie auch nicht mehr. Das kann man ja noch nicht mal mehr eine Bluse nennen, sondern eher eine Zwangsjacke. Eine Zwangsjacke mit lächerlichen Puffärmeln, in denen meine Arme noch fetter aussehen, als sie es ohnehin schon sind.
    Ich sehe total bescheuert aus. Wie ich hier sitze. Schwitzend wie ein Schwein. Völlig außer Atem. Mit offener Bluse, wie ein Prolet nach einem Stockcar-Rennen. Ich will nach Hause, mich mit Brezeln vollstopfen und »Wieso gurgeln Gedärme?« oder ähnlichen Quatsch bei Google eingeben. Ich konnte nur beten, dass hier nicht irgendwo Überwachungskameras hingen, denn wenn doch, würde die fette Frau in der offenen Bluse, die sich in der Umkleide aufführte, als würde sie mit Freddie Krueger persönlich kämpfen, auf YouTube garantiert mehr Clicks kriegen als Susan Boyle, der kleine David nach dem Zahnarzt und jeder Kerl auf dieser Welt, der mit dem Baseballschläger eins in die Eier kriegt, zusammen.
    Ich seufzte. Also gut, dachte ich mit einem Nicken in Richtung Universum. Ich stecke in einer Bluse fest, aus der ich nicht mehr rauskomme. Zumindest nicht lebend. Eines Tages wird man mich hier finden, skelettiert, mit herabhängendem Kiefer. Mein BH wird an meinen Rippen hängen, und die Ärmel werden ätherisch um meine Oberarme wehen, weil es keine Fettwülste mehr gäbe, die sie wie Handschellen umklammern könnten.
    Ich bin völlig erledigt. Ich muss dringend ein Nickerchen machen. Ich kann nicht mehr. Ich gebe mich geschlagen. Die Bluse hat gewonnen.
    »Du hast gewonnen, Bluse«, flüsterte ich, um den Sieg offiziell zu machen. »Du hast gewonnen.«
    Ich sah in den Spiegel. Eine halb nackte Frau, sichtlich am Ende ihrer Kräfte, blickte mich an. Und dann fiel der Groschen. Der »Knackpunkt« war allem Anschein nach doch der Punkt, von dem es, einmal überschritten, keinen Weg zurück mehr gab. In diesem Moment erblickte ich etwas im sanften Schein der Beleuchtung, und eine Sekunde lang sah ich Laurie 1994 im Spiegel, deren dünne Uma-Thurman-Ärmchen so niedlich in den Puffärmeln aussahen, in dieser supersüßen Bluse, ohne klaffende Lücken zwischen den Knöpfen.
    Sie schenkte mir ihr Julia-Roberts-Lächeln. Ich lächelte zurück, worauf ein Anflug von Mitgefühl auf ihre Züge trat. Doch Sekunden später war das Lächeln verflogen, und sie sah mir geradewegs in die Augen.
    »Zieh endlich dieses verdammte Ding aus«, zischte sie. »Du siehst aus wie eine komplette Vollidiotin. Du hast sie angezogen gekriegt, also kriegst du sie auch wieder ausgezogen. Und wage es ja nicht, das Handtuch zu werfen! Notfalls reißt du dir das Ding vom Leib!«
    Sie hatte natürlich vollkommen recht. Vielleicht hatte ich mich mittlerweile auch nur ausreichend erholt, jedenfalls war mein Schweißbart getrocknet, und ich dachte mir so, okay, einmal versuche ich es noch. Ich stand also auf, begann erneut zu ziehen und zu zerren, als die Ärmel unvermittelt nachgaben und die Bluse zu meinen Handgelenken hinunterrutschte.
    Ich zog das Ding aus, so schnell es ging, und hängte es auf den Bügel zurück, bevor es sich noch einmal auf mich stürzen konnte. Die Bluse war völlig zerknittert und hatte jetzt eher Ähnlichkeit mit einem gebrauchten Geschirrtuch, was nicht weiter verwunderlich war, nachdem ich sie derart traktiert hatte. In diesem Augenblick stach mir ein Fleck ins Auge, vielleicht ein Fussel oder ein Stück Faden, doch er ließ sich nicht abzupfen. Und ich entdeckte noch mehr davon, einen neben der Knopfleiste, einen mitten auf dem Vorderteil und einen auf der Innenseite. Sie waren alle rot und ließen sich nicht abwischen. Und je länger ich hinsah, umso mehr fielen mir auf. Überall. Innen, außen, oben, unten. Manche punktförmig, manche wie Schlieren, und auf dem Saum prangte ein richtig großer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher