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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Bezugsrahmens auf sozialpsychologische Experimentalbedingungen diese Kriterien nur unzureichend erfüllt. Und
    ● er hat erkannt, daß diese sozialpsychologischen Experimentalbedingungen zwar ein praktikables Verfahren zur exakten Erfassung individueller Meinungsäußerungen darstellen, daß sie aber das soziale Umfeld und die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge der Meinungsbildungsprozesse sträflich vernachlässigten und damit keine tragfähige Basis für eine Theorie der ›Öffentlichen Meinung‹ bildeten.
    Doktor Viktor Frankenstein …« – Doktor II. Grades Roman D’Ummél begann seine Manuskriptseiten einzusammeln – »zog aus all diesen Erkenntnissen den für einen Wissenschaftler von seinen Graden wohl einzig möglichen Schluß: Er schiß auf den ganzen theoretischen Plunder und baute sein zweites Monster. – Ich danke Ihnen.«
    Die Studenten nickten stumm ergriffen, in ihrer typischen Art blickten sie gläubig und voll Ehrfurcht hinauf zum Professor.
    »Ich danke Ihnen«, wiederholte D’Ummél, während er seine Unterlagen in die Tasche räumte. »Bitte beachten Sie beim Hinausgehen den Anschlag rechts neben der Tür, der Sie auf eine höchst interessante Lehrveranstaltung meines Kollegen aus dem Institut für Archäologie der Manipulation Dr. Frederic S’Baninguer am kommenden Mittwoch aufmerksam macht!«
    Als Dr. D’Ummél seine Papiere verstaut hatte und das Podium verlassen wollte, bemerkte er, daß die Mehrzahl der Studenten immer noch auf ihren Plätzen verharrte, ihn dürstend nach weiterem Wissenswertem anschmachtete. »Ich habe diese Reaktion von Ihnen erwartet«, lobte er die Lernbegierigen, traditionell demütig ihren Professor Bewundernden, »ich habe es gewußt, daß Sie alles wissen wollen. Aber da ist nicht mehr viel. Leider.« D’Ummél stützte sich auf seine Tasche: »Frankenstein scheiterte auch mit seinem zweiten Versuch an der ›Öffentlichen Meinung‹. Durch sein theoretisches Bemühen um das Wesen derselben wußte er aber diesmal wenigstens, warum er scheitern mußte. Merken Sie sich: Gegen die geballte generalisierte Vorstellung der unschuldigen, von verantwortungslosen Medienzauberern absichtlich irregeleiteten Masse konnte kein Genie an. Auch Frankensteins zweite Schöpfung wurde umgebracht.«
    Mit einem weiteren »Ich danke Ihnen« verließ Roman D’Ummél sein Podium nun endgültig, und natürlich verabsäumte es keiner der wohlerzogenen jungen Leute, dem Hinweis des Professors gebührende Aufmerksamkeit zu widmen. Sie wußten schließlich, daß sie nur für sich lernten, daß es um ihr Wissen, um ihren weiteren Lebensweg ging.
    Die Ankündigung lautete:

    Copyright © 1988 by Ernst Petz
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