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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten
Autoren: Unbekannter Autor
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Harold Robbins Die Profis
    Roman
    ein Ullstein Buch
    Erstes Kapitel
    Es war nach zehn Uhr. An der Bar saßen nur drei Männer, und an einem Tisch im Hintergrund saß einer allein, als die Dirne hereinkam. Sie stieg auf einen Hocker und schob ihren schäbigen Wintermantel von den Schultern. »Gib mir ’n Bier«, sagte sie.
    Schweigend zapfte der Barmann ein Glas ab, stellte es vor sie hin und nahm den Vierteldollar.
    »Was los heute abend, Jimmy?« fragte sie, während sie die Männer an der Bar musterte.
    Der Barmann schüttelte den Kopf. »Heute abend nicht, Maria. Ist ja Sonntag, da liegen die meisten Touristen schon in den Betten.« Er wandte sich ab und begann Gläser zu polieren. Dabei sah er zu, wie sie in kleinen Schlucken trank.
    Für ihn hießen sie alle Maria, die zierlichen Puertoricanerinnen mit den glitzernden Augen und den prallen kleinen Brüsten. Scheint, als ob sie bald ihre nächste Spritze braucht, dachte er.
    Die Dirne gab ihre Bemühungen bei den Männern an der Bar auf. Sie drehte sich um und betrachtete den Gast, der am Tisch saß. Obgleich sie nur seinen Rücken sah, erkannte sie am Schnitt seines Anzuges, daß er kein Einheimischer war. Sie blickte den Barmann fragend an. Als der mit den Schultern zuckte, glitt sie von ihrem Hocker und ging zu dem Tisch hinüber.
    Der Fremde beachtete sie nicht, als sie neben ihm stehenblieb. »Einsam, Señor?« fragte sie. Sobald er den Kopf hob, um sie anzusehen, wußte sie die Antwort. Diese eisigen, dunkelblauen
    Augen, dieses sonnengebräunte Gesicht, dieser Mund - Männer wie der kauften sich nie ihre Abenteuer. Die nahmen sich, was und wo sie wollten. »Nein - danke«, sagte Cesare höflich.
    Mit mattem Lächeln nickte das Mädchen, ging zur Bar zurück, setzte sich wieder auf den Hocker und holte eine Zigarette aus der Handtasche.
    Der Barmann gab ihr Feuer. »Wie ich dir gesagt hab, es ist Sonntag«, tröstete er sie freundlich.
    Sie sog den Rauch tief in die Lungen. »Ich weiß.« Ihr Gesicht verriet Unruhe. »Aber ich muß laufend zu tun haben. Das Zeug ist teuer.«
    In der Kabine neben dem Schanktisch klingelte das Telefon. Der Barmann ging hinein, kam jedoch rasch wieder heraus und steuerte auf den Tisch zu, an dem Cesare saß. »Für Sie, Señor.«
    »Danke.« Cesare erhob sich lässig und ging zur Telefonkabine.
    Die Frauenstimme im Apparat sprach leise. Italienisch. »Es muß vormittags geschehen«, sagte sie. »Ehe er im Gerichtssaal erscheint.«
    »Keine andere Möglichkeit?«
    »Nein.« Ihre Stimme klang, obwohl sie so leise sprach, ganz deutlich. »Wir haben nicht feststellen können, von wo er dorthin kommt. Wir wissen nur, daß er um elf Uhr beim Gericht vorfahren wird.«
    »Und die anderen?« fragte Cesare. »Sind die noch da, wo sie zuletzt waren?«
    »Ja«, antwortete sie. »In Las Vegas und Miami. Sind Ihre Pläne fertig?«
    »Ich bin auf alles vorbereitet.«
    Die Stimme der Frau wurde hart. »Der Mann muß sterben, bevor er im Zeugenstand sitzt. Die anderen ebenfalls.«
    Cesare lachte kurz. »Bestellen Sie Don Emilio, er kann
    unbesorgt sein. Die sind alle drei schon jetzt so gut wie tot.« Er legte den Hörer auf, verließ das Lokal und entfernte sich in der Dunkelheit durch das spanische Viertel von Harlem. Der Wind war eisig. Er klappte den Mantelkragen hoch. Zwei Querstraßen weiter winkte er ein Taxi heran.
    »El Morocco«, sagte er zu dem Chauffeur.
    Cesare lehnte sich zurück und rauchte eine Zigarette. Eine unerklärliche Erregung hielt ihn wach. Jetzt wurde es ernst. Seit dem Kriege zum erstenmal wieder. Er erinnerte sich, wie es zuallererst gewesen war. Sein erstes Mädchen und das erste Töten...
    Es schien unglaublich lange her zu sein. 1935. Da war er fünfzehn gewesen. An dem Tage hatten die Faschisten in dem kleinen sizilianischen Dorf am Fuß des Berges eine Parade veranstaltet. Überall sah man Standarten und Bilder des Duce.
    Als Cesare auf dem Heimweg unten am Berg ankam, dämmerte es bereits. Er hatte emporgeschaut. Am Bergrand, nahe dem Gipfel, stand das Schloß, häßlich mit seinen vielen Ornamenten. Seit fast sechshundert Jahren stand es dort, seitdem ein längst vermoderter Ahnherr, der erste Graf Cardinali, eine Tochter der Familie Borgia geheiratet hatte.
    Cesare war an Gandolfos Weingut vorüber den Berg hinaufgestiegen. Der schwere Duft der dunklen Trauben wehte ihm entgegen. Er hörte im Geist noch die Trommelwirbel der Faschisten und spürte wieder die Erregung, die ihn an diesem Abend gepackt hatte,
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