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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Bevölkerung zu isolieren. Die britische Regierung unter MacMillan hat dies ja, anderthalb Jahrhunderte später, anläßlich des Reaktorunglücks von Windscale, in geradezu vorbildlicher Weise nachvollzogen. Uns nachgeborenen Wissenschaftlern bleibt als besonders würdigenswert die unmittelbare Gegenüberstellung aus erfahrener Tatsache Frankensteins – und die Ausschaltung dieser Tatsache im Wiederholungsfall. Frankenstein bietet also Gift und Gegengift, Frage und Antwort, Sein und Nicht-Sein, Barschel und Pfeiffer, Kohl und Strauß, Dyonis und Damon.
    Erst jetzt, nachdem ihm die Theorie immer vertrauter, selbstverständlicher wurde, erkannte Frankenstein in völliger Klarheit die Monstrosität des Fehlers, den Mann mit seiner ertränkten Tochter vor ›die Leute‹ zu lassen: Selbstverständlich mußte sie der Anblick des toten Mädchens so überreizen, daß sie jeden Sinn für Anstand und Sitte gegenüber dem barönlichen Hause vergaßen.
    Das paßte nun wiederum genau zu …« – er tippte – es flammte -
    »b) den sozialstrukturellen und kulturellen Merkmalen
    der betroffenen Bevölkerung – je integrierter ein Opfer, desto größer die Bereitschaft der anderen, für es auf die Barrikaden zu steigen.
    In diesem Zusammenhang blieb Frankenstein natürlich die zentrale Bedeutung der Meinungsführer nicht verborgen, auch nicht ihr Einfluß auf ihre Bezugsgruppen. Von nun an, vom Inkrafttreten dieser Erkenntnis gleichsam, konnten sich Bürgermeister und Pfarrer – ja, auch Pfarrer! –, Lehrer und Feuerwehrhauptmann – auch der hatte schließlich beeinflußbare Untergebene! –, Oberförster, Lektor, Redakteur und so weiter, und so weiter, vor Einladungen in das Schloß des Barons kaum mehr erwehren. So mußten sie ganz einfach eine gute Meinung vom ›Herrn Viktor‹, wie sie bald alle zu Baron Doktor von Frankenstein sagen durften, bekommen – UND: weitergeben!
    Das war natürlich die Absicht Frankensteins! Daneben entdeckte er in diesem Zusammenhang noch eine bedeutende Tatsache, die später im Zuge von …
    a) Politik und
    b) Terrorismus zum Tragen kommen sollte.
    ad a): Versorge in erster Linie Parteimitglieder mit Arbeitsplätzen und Wohnungen – und du wirst viele Parteimitglieder an Land ziehen – auch ohne Programm,
    ad b) insbesondere bei Geiselnehmerei: Iß und trink mit deinem Bedroher – und er wird dich viel schwerer umbringen können – wenn überhaupt noch!
    Als dritten wichtigen Punkt der sozialen Bestimmungsfaktoren der Prozesse Öffentlicher Meinungsbildung erkannte Frankenstein …
    c) – wir notieren – Funktionsweise und Wirksamkeit des Massenkommunikationssystems
    - eine Tatsache, die uns jetzt nicht mehr überrascht. Insbesondere hob er für seine zukünftigen Aufgaben die Bedeutung der sogenannten ›Elite-Medien‹ hervor, die einerseits mit der meinungsbildenden Elite der Bevölkerung in einem Beeinflussungszusammenhang standen, die andererseits aber auch die Meinungsbildungen in den populären Medien prägten.
    Es widerstrebt mir, mich in dieser Hinsicht ständig zu wiederholen, aber natürlich wird auch bei …« – er tippte – grün flammten Buchstaben – »Entman, Robert M./D. L. Paletz: Eliten, Massenmedien und Meinungsklima. Ein Beitrag zur Theorie der öffentlichen Meinung aus amerikanischer Sicht. In: Media Perspektiven 9/1980, S. 605 bis 612. Auch hier: Viktor Frankenstein mit keinem Wort erwähnt!« Die Studierenden schüttelten bekümmert, schon wissend, den Kopf. Zeiten mußten das gewesen sein!
    »Frankenstein schien diese letzte Erkenntnis eine der wichtigsten. Nachdem er den Erfordernissen von Punkt b)« – D’Ummél wies auf seinen Schirm – »Rechnung getragen hatte, also Bürgermeister bis Pfarrer, Lehrer bis Feuerwehrhauptmann, Oberförster bis Redakteur pausenlos in sein Schloß eingeladen hatte, inkludierte er in sein Einladungssystem ab sofort auch die Massenkommunikationssysteme, zu seiner Zeit noch identisch mit den Meinungsforschungsinstituten – also Hebamme und Greißler, Hausierer und Bader, Wirt und Rauchfangkehrer, kurz: Dienstleistungsbetriebe mit Publikumszulauf, kurz: alles, was sich mit Hausparteien und Kunden treffen mußte und traf.
    Damit allein schon verlor der folgende Punkt
    d)« – er tippte … – »Gesellschaftliche Stellung und Reaktionsweise der Adressaten der Öffentlichen Meinung für ihn erheblich an Brisanz: Durch die breite Streuung seines Medienverbunds mußte es ihm möglich sein, allen, wirklich allen, seine Meinung
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