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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Getriebe der Manipulation mitgemischt hat, bevor sie abgesprungen wurde – ein Bericht aus dem Innern des Wals, sozusagen, aus dem Innern des Leviathan, es alles verschlingenden Molochs. Es funktionierte also, trotz Ihrer Skepsis, etwas nicht mit den Ressourcen, denn …
    b) gesellschaftliche Verhaltenserwartungen ändern sich, etwa, wie es damals begann und später fortgesetzt wurde, die Rolle der Frau in modernen Industriegesellschaften, und schließlich
    c) das Vertrauen in gesellschaftliche Führungsinstanzen wird in Frage gestellt, was vor allem eine notwendige Begleiterscheinung von Wahlkämpfen ist – und was Sie sich, nach den kurzen Andeutungen, die ich eingangs gemacht habe, wohl gut vorstellen können. Wir müssen uns hier, an dieser Stelle, vielleicht noch einmal kurz darauf konzentrieren, daß es Frankenstein, wie den Politikern des 20. Jahrhunderts, bei seinen Untersuchungen nicht um das Phänomen ›Öffentliche Meinung‹ an sich gegangen ist, sondern vielmehr darum, wie dieses zu umschiffen sei. Wie die Politiker trotz ›Öffentlicher Meinung‹ auf ihren Kommandobrücken bleiben wollten, wollte er in Ruhe in seinem Labor weiterwirken.
    Dazu bedurfte es nach der Klärung des Begriffs ›strukturelle Spannung‹ des für einen Denker wie ihn kleinen Schritts zum Begriff ›Generalisierte Vorstellung‹ – selbstverständlich treten erstere nur auf, wenn letztere stark ausgeprägt sind: Es ist die generalisierte Vorstellung der Masse, die diese Sturm laufen läßt, wenn etwas außerhalb der Norm liegt. Auch zu diesem Punkt …« – D’Ummél blickte wieder auf seine Uhr – »es ist wirklich schade, daß wir nicht genug Zeit haben, denn auch zu diesem Punkt gäbe es viel zu bemerken.
    Frankenstein aber«, rief er sich selbst zur Ordnung, »Frankenstein kehrte, als er mit seinen Überlegungen so weit war, wieder zu seinem Begriff ›Öffentliche Meinung‹ zurück. Diese sah er nun als eine besondere Form der generalisierten Vorstellungen und baute sie in sein Modell kollektiven Verhaltens ein.
    Das Ergebnis war frappierend: Diese generalisierten Vorstellungen waren nämlich durchwegs solche Vorstellungen, die nach einer breiten gesellschaftlichen Legitimation strebten und die darauf ausgerichtet waren, kollektive Lösungen von sozialen Problemen gesamtgesellschaftlich durchzusetzen.
    Für Frankenstein war damit sonnenklar, warum die Masse der Bevölkerung bei der Verfolgung seines Geschöpfs immer den Bürgermeister dabei haben mußte, den Pfarrer – oja, oja«, mußte D’Ummél wieder auf verständnislos-ungläubiges Aufblicken reagieren, »auch den Pfarrer; die angemaßte besondere gesellschaftliche Stellung dieser Jenseitsladen predigenden Gattung war damals noch von weiten Kreisen der Bevölkerung akzeptiert. Mußte wohl oder übel akzeptiert werden, bedienten sich die staatlich anerkannten Sekten doch hemmungslos des starken Arms der weltlichen Gerichtsbarkeit, um ihren Denkverboten, sie nannten’s ›Glaubenssätze‹, Geltung zu verschaffen. Also – den Pfarrer mußten sie dabeihaben, den Lehrer und sogar ihn, Frankenstein, selbst, den jungen Baron, sogar an seinem Hochzeitstag. Es ging dabei natürlich um die gesellschaftliche Legitimation der Tötung von menschlichem – wenn auch künstlich geschaffenem – Leben.
    Eine allgemeine Umschreibung der ›Öffentlichen Meinung‹ mußte sich somit darauf konzentrieren, die entscheidenden sozialen Rahmenbedingungen zu benennen, die den Verlauf dieser Prozesse bestimmten.
    Das war der Weg, den Frankenstein einschlagen mußte, wollte er dieser ›Öffentlichen Meinung‹ etwas unterjubeln – und das wollte er ja! –, wollte er etwas gegen ›sie‹ unternehmen – und das wollte er ja auch!
    Aus dem Schatz seiner Erfahrung und für sein weiteres Forschen und Vorgehen skizzierte er demnach vier wichtige soziale Bestimmungsfaktoren der Prozesse Öffentlicher Meinungsbildung.
    Wir notieren:
    a) gesellschaftliche Relevanz der Thematik
    für die von den sozialen Problemen betroffenen Segmente der Bevölkerung – dabei ging es um die Art und Weise, wie sich verschiedene Teile der Bevölkerung von der Thematik ›an sich‹ betroffen fühlten und wie stark sich der einzelne Betroffene mit der Thematik identifizieren konnte.
    Was bedeutete diese Erkenntnis für Frankenstein?
    Nun – in erster Linie wohl, daß er in Zukunft darauf zu achten haben würde, unmittelbar von seinem Geschöpf Betroffene, so sie noch am Leben wären, von der Masse der
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