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Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt
Autoren: Gmeiner-Verlag
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200-Euro-Scheine heraus.
    »Brauchen Sie sonst noch was?«
    »Ich sage dir Bescheid, wenn ich das hier durchgeschaut habe.« Ich warf die Blätter auf den Tisch.

3
    Er hatte das Strophantin von einem befreundeten Arzt verschrieben bekommen. Ging mit dem Döschen aufs Klo und schluckte die beiden Pillen. Dreimal am Tag. Noch nie hatte er im Beisein seiner Kollegen Medikamente genommen. Das Büro war eine Natterngrube. Man konnte nie wissen, woraus einem ein Strick gedreht würde.
    Polizeihauptkommissar Nero Keller betätigte die Spülung und verließ die Kabine. Eine Weile starrte er sein Gesicht in dem Spiegel über dem Waschbecken an. Der Bart: zu kurz geraten beim letzten Rasieren. Er wirkte nicht mehr stilsicher italienisch, sondern verpennt. Die Augen: irgendwie tot. Obwohl, soweit würde er nicht gehen. Nur leer. Ausgesaugt. Nichts mehr zu erwarten.
    Verdammt. Er war wirklich ausgebrannt. Die Kämpfe, die er mit Polizeioberrat Woncka führte, um seine Pläne in die Tat umzusetzen, zehrten ihn aus. Die Klugscheißer im Team ebenso. Eigentlich brannten sie alle vor Neid, bis auf Markus Freiflug, mit dem er am engsten zusammenarbeitete. Vermutlich verhielt sich Markus nur deshalb wohlwollender, weil auch er eine Sonderaufgabe erfüllte. Er leitete eine Schnittstelle mit dem Zweck, die bayerischen Kriminalisten, die in Sachen Cyberkriminalität ermittelten, untereinander zu vernetzen.
    Soweit bin ich schon, dachte Nero und leckte über seine rissigen Mundwinkel. Ich traue niemandem mehr etwas Gutes zu. Selbst meinem besten Kollegen nicht.
    In fünf Minuten würde das Gespräch mit Woncka anfangen. Eine letzte Chance, sich freistellen zu lassen, um für ein halbes Jahr oder länger weiterzuforschen, neue Workshops und Fortbildungen zu planen. Das war es, was er wollte: Mal raus aus allem, um ungestört nachdenken zu können. Die Zeit anhalten. Projekte erarbeiten, die nicht nur einfach ihren Lauf nahmen, sondern Sinn machten. Steuergeld, nützlich angelegt, das wollte er Woncka sagen.
    Zugegeben, es ging ihm auch um sich selbst. Er verabscheute die Hektik des Arbeitsalltags in einer unterbesetzten Ermittlungsgruppe. Da blieben eine ganze Menge Fragen unbeantwortet. Pfade, die für spätere Ermittlungen wichtig sein konnten, wurden nie begangen. Einfach aus Zeitmangel. In naher Zukunft würde diese Ignoranz ihre Arbeit lahmlegen. Ganz allmählich, fast unbemerkt würde die Polizei bei der Bekämpfung neuer Formen der Kriminalität passen müssen. Ihnen fehlten Zeit und Personal, um in die Tiefe zu gehen.
    Nero spritzte sich Wasser ins Gesicht. Ein Schauer lief über seinen Rücken. Er fröstelte. Könnte eine Grippe sein, dachte er und verließ den Waschraum. Draußen lief er seinem Kollegen Ulf Kröger über den Weg.
    »Ach, Nero! Ich habe dir gerade was auf den Schreibtisch gelegt. Staatliche Hacker in China und Reaktionen auf Wikileaks. Schau es dir in aller Ruhe an! Könnte dich interessieren, was?«
    »Danke.« Nero nickte.
    »Alles okay bei dir?« Ulf Kröger war ein gedrungener Typ mit Stiernacken und Schuppen auf dem Pullover. Aber einer, der auf dem Korridor nicht nur kurz nickte, sondern das Gespräch suchte.
    »Klar, danke.« Nero wollte nicht mit Kröger reden. Nicht jetzt. Nicht, weil er Kröger nicht mochte oder weil er sich gestört fühlte, sondern einfach, weil er manchmal am liebsten mit niemandem mehr reden wollte. Und wenn er es recht bedachte, mutierte das ›manchmal‹ allmählich zum ›immer‹.
     
     

4
    Bastian war 14, als er sich den Namen Dv 0 ttny gab. Er fand das witzig. Die 0 statt des O. Es fühlte sich cool an, die eigene Identität hinter einem selbstgewählten Spitznamen zu verstecken.
    Sein Vater war Apotheker, seine Mutter Lehrerin. Sein Elternhaus war spießig, an dieser Erkenntnis führte kein Weg vorbei. Anders als bei Joss, dessen Eltern freiberuflich als Grafiker arbeiteten, in ihrem Haus ein Atelier hatten und ständig umschwirrt waren von schrägen Vögeln aus der Münchner Grafikszene. Joss war schon zweimal umgezogen. Aus Fulda nach München und dann hier raus nach Ohlkirchen. Der hatte was gesehen von der Welt. Wenigstens ein bisschen. Während Bastian immer nur im Schwedenweg in Ohlkirchen saß und seinen Vater zum Mittagessen und Abendbrot über die Probleme in der Apotheke dozieren hörte.
    Bastian langweilte sich oft. Deswegen taugte ihm der neue Rechner, den er zu seinem 14. Geburtstag bekam, besonders. Sein Patenonkel hatte was draufgelegt, damit er das Neueste
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