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Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt
Autoren: Gmeiner-Verlag
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setzte sich neben mich. Zuweilen kam er mir wie ein guter Onkel vor, der sich vorgenommen hatte, der Menschheit das Leiden auszutreiben. »Wie läuft’s?«
    »Ich komme mit der Fachterminologie nicht zurecht. Bastian beschreibt akribisch, was er wann wie gemacht hat. Mir schwirrt der Kopf von dem ganzen Geschwafel.«
    »Frag deinen Liebsten! Der kennt sich mit Computern aus!«
    »Wenn wir annehmen, dass jugendliche Hacker die Zielgruppe dieses Buches sind, brauche ich keine Erläuterung. Was nervt, ist: Ich schreibe einen Text, den ich selbst nicht verstehe. Und Nero – der ist dermaßen im Stress!« Kurz dachte ich an Nero. An seine Schlaflosigkeit und Unruhe, an die Art, wie er in jeder stillen Minute nach seinem Handy griff, vor sich hin murmelnd SMS abarbeitete oder an den Einstellungen herumklickte. Wenn ich ihm eines Tages das Handy einfach aus der Hand nahm, würde er in den kalten Entzug stürzen.
    »Weißt du, Claude, ich habe einfach ein dummes Gefühl. Welche Jugendlichen, denen eine Warnung vor den Untiefen des Hackens gut täte, lesen schon ein Buch? Die schnorcheln im Netz und kratzen dort zusammen, was sie interessiert. Aber ein gedrucktes Buch – das ist für diese Typen vollkommen antiquiert!« Ich schleckte meinen Löffel ab. So simpel und dabei so wirkungsvoll: den Kaffee mit Vanillezucker zu süßen.
    »Dann stellt das Zeug ins Internet!«
    »Davon war nicht die Rede.«
    »Ich sehe ja ein, dass dir unser gemeinsames Projekt mehr Spaß gemacht hat«, grinste mein kanadischer Meisterkoch. »Mittelmeerküche – damit kann jeder was anfangen. Du kannst zur Not ohne Rechner leben. Aber ohne Essen? Das endet tödlich.«
    »Niemand kann ohne Computer leben, und genau das ist das Problem, Claude. Der Strom, der dein Restaurant funktionsfähig macht, wurde nicht von Hand in die Leitungen gespeist. Deine Steuererklärung, das Wasserwerk, selbst Ampelschaltungen und der Notruf bei der Feuerwehr: Alles läuft über Netzwerke, und die sind anscheinend so unsicher, dass jeder halbwegs begabte Teenager sie lahmlegen kann.«
    »Sachte! Magst du von meinem Steinpilz-Moussaka probieren?«
    »Sehe ich so aus, als wenn ich Einladungen zum Essen ablehnen würde?«
    »Du siehst wunderbar aus, Kea! Nero steht auf runde Frauen. Vergiss die Hungerhaken da draußen. Eine Mistgabel bietet einen besseren Anblick als die Damen, die sich von ihren Verehrern zum Dinner einladen lassen und dann drei Salatblätter ohne Öl bestellen.«
    »Kann mir nicht passieren«, grinste ich. Ich war eben der Vollweib-Typ. Mit zunehmendem Alter versöhnte ich mich mit meiner Veranlagung. »Ist ohnehin alles genetisch festgelegt.«
    »Korrekt.«
    »Wie geht’s dir eigentlich in Sachen Liebe?« Ich wusste, dass Claude-Yves seit einiger Zeit wieder mit einer Frau zusammen war. Eine vorsichtige Annäherung, nachdem er einen selbstmörderischen Rosenkrieg hinter sich hatte. Die Biografin Kea kannte die Einzelheiten, obwohl sie im Buch keine Erwähnung gefunden hatten.
    »Lydia!« Claude lächelte. »Sie ist manchmal etwas anstrengend, aber genau mein Typ.«
    »Vielleicht hätte ich mir einen Koch an Land ziehen sollen und keinen Polizisten.«
    »Unsinn. Nero ist ein wunderbarer Mann. Nur sein Job ist unerträglich. Ich habe übrigens kürzlich im Internet gelesen, dass eine neue und heimtückische Hackertechnik fast alle bisherigen Sicherheitsschranken im Internet überwindet. Sogar Kriege werden im Netz geführt!«
    Ich dachte an meine Georgienreise im vergangenen Frühjahr. Knapp zwei Jahre nach dem Augustkrieg von 2008 hatte ich lernen müssen, dass sich die Schlachtfelder ins Cyberspace ausdehnten. Nach dem Ausbruch der Kämpfe damals war das georgische Internet lahmgelegt worden. Im Verdacht standen Hacker aus Russland. Die Situation hatte sich verschärft, weil die Georgier nicht mehr auf technische Kommunikationsmittel zurückgreifen konnten, um überhaupt herauszufinden, was los war. Und jetzt kam Dv 0 ttny daher. Ein junger Mann mit Ambitionen. Ich fand ihn sympathisch und hatte auch nicht von Haus aus ein Problem mit Hackern, nur weil ihr Tun als kriminell galt. Aber irgendetwas an diesem Projekt behagte mir nicht. Vermutlich, weil ich Bastians Motivation, sich eine Ghostwriterin anzuheuern, unglaubwürdig fand.
    »Ich muss tatsächlich mit Nero sprechen«, sagte ich.
    »Wie geht’s ihm?«
    »Schwer zu sagen. Der klassische Workaholic. Er hat nie frei und legt sich krumm, um bei seinem Chef endlich die Idee von einer
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