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Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt
Autoren: Gmeiner-Verlag
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vom Neuen bekam. Kein Problem für Bastian, Windows und Linux gleichzeitig auf der Maschine laufen zu lassen. Er hatte ein knappes Jahr vorher angefangen, Schließmechanismen zu umgehen. Soweit er wusste, hatte er dabei keine Gesetze verletzt. Er war in Systeme eingebrochen, hatte sich umgesehen, seine Spuren verwischt und war wieder verschwunden.
    Mit Joss unternahm er hin und wieder ausgedehnte Erkundungsgänge in München. Joss hatte zweimal die Woche Therapie bei einem Logopäden in Pasing. Bastian begleitete ihn ab und zu. Danach zogen sie mit der S-Bahn weiter, stiegen irgendwo aus, erkundeten die Gegend und kamen am Abend mit dem letzten Bus nach Ohlkirchen heim. Auf dem Land fuhren die letzten Busse ohnehin ziemlich früh.
    Eine Zeitlang war es ein Spiel, in Videoläden DVDs mitgehen zu lassen, zu Hause zu kopieren und sie beim nächsten Mal zurückzustellen. Eigentlich kein Diebstahl. Zumindest kein richtiger, fand Bastian. Sie brachten das Zeug ja wieder in den Laden. Erwischt wurden sie nie. Nach ein paar Monaten war der Kick weg, und sie hörten damit auf.
    Für ungefähr genauso gefährlich oder anstößig hielt Bastian seine Erkundungsgänge im World Wide Web. Bis er diesen neuen Rechner besaß und sich einen eigenen Namen gab. Dv 0 ttny. Das klang nach einem Erwachsenen mit Erfahrung. Einem, dem keiner am Zeug flicken konnte. Kein Teenager mit einem rausgewachsenen Topfschnitt und dem Appetit von drei Personen, der um Mitternacht noch zwei Salamibrote mit Spiegeleiern verschlang.
    Bastian begann, sich mit anderen Hackern zu vernetzen. Da geisterten schillernde Identitäten durch die Chatrooms, und er fand es berauschend und gruselig zugleich, dass er nicht wusste, wer diese Leute wirklich waren. Sie hatten eigenartige Namen wie O_thello oder farfalla23. Nach ein paar Monaten hatte sich eine Art Clique herausgebildet, der Bastian angehörte. Er schulte seine Intuition, versuchte, sich die Menschen hinter den Decknamen vorzustellen. Gleichzeitig saugte er wie ein Schwamm die Tipps auf, die in der Hackerszene umherschwirrten. Sein allererster Coup war, ein Computerspiel zu knacken und mit Hilfe des Quellcodes die einzelnen Leistungsschritte nachzubilden, um das Spiel in jedem Fall zu gewinnen. Wenig später stellte er fest, dass andere auf die gleiche Weise zum Hacken gekommen waren: Sie gewannen einfach gern, und alles war ein Spiel.
    Bastian begann, die Fahrten mit Joss nach München zu nutzen, um in Cafés mit ungeschützten W-LAN-Anschlüssen seinen Interessen nachzugehen. Von dort fiel es ihm leicht, seinen Standort zu verschleiern. Als erstes stellte er fest, dass reihenweise Proxy-Server falsch konfiguriert waren. Irgendwo steckten Fehler oder verbockte Programmbestandteile. Ohne große Mühe war Bastian etliche Male über einen offenen Proxy hinter der Firewall eines Unternehmens gelandet, wo eigentlich nur berechtigte Mitarbeiter etwas zu suchen hatten. Jedes Mal bekam er Schiss und zog sich zurück. Aber er hatte Blut geleckt. Es juckte ihn weiterzumachen, Chaos zu stiften, sich als zugriffsberechtigt zu authentifizieren, Kennwörter abzufragen. Nur wenige Wochen, nachdem er mit der Hackerei ernsthaft angefangen hatte, gelang es ihm, ein Mobiltelefonsystem zu knacken. Er geriet an die Telefonnummern und elektronischen Seriennummern von Hunderten Handys. Lange dauerte es nicht, bis er herausfand, dass er mit diesen Testnummern, die die Techniker zum Überprüfen der Signalstärke benötigten, unbegrenzt und kostenlos telefonieren konnte. Er kaufte sich ein billiges Handy ohne Vertragsbindung. Eine Weile telefonierte er umsonst, aber dann bekam er in einem Chat mit, dass ein paar Jungs in den USA den gleichen Trick angewandt hatten und dafür ins Gefängnis gewandert waren. Bastian bekam Muffensausen. Er warf das Handy in die Isar und ging drei Tage nicht ins Netz. Aber dann war die Neugier stärker. Welche Türen würden sich noch öffnen lassen?

5
    19.11.2010
     
    »Ich finde einfach nicht den richtigen Ton.« Zu Hause war mir die Decke auf den Kopf gefallen. Claude-Yves’ Nebenraum, bisher weitgehend unberührt von der alljährlichen Adventsdekorationshysterie, wurde zu meinem Büro. Wenigstens für ein paar Stunden. Mein Laptop und Bastians Notizen beobachteten mich stumm. Ich starrte mutlos auf das Durcheinander vor mir.
    Mit ernstem Gesicht stellte Claude-Yves einen Latte Macchiato vor mir ab. »Hier. Mit Kahlúa. Das macht warm und lustig. Ist mit Vanillezucker gesüßt.«
    »Danke.«
    Er
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