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Was weiß der Richter von der Liebe

Was weiß der Richter von der Liebe

Titel: Was weiß der Richter von der Liebe
Autoren: Klaus Ungerer
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Vergessens gekippt werden sollen, er, der wenige Wochen entfernt war von der Unkündbarkeit: Da kickten sie ihn raus.
    Herr Uth weiß Bescheid, er ist ein analytischer Mann, er ist keiner, der nur anderen die Schuld gibt. Es gibt da eine Sachebene, die kann und sollte man scannen und analysieren, und auf der Sachebene, da hat Herr Uth versagt, hat seine Grenzen ausgedehnt über die Maßen und hat sich aufgebläht bis zur Manövrierunfähigkeit: als der Kollege vom Büro nebenan befördert worden war zum Großschadenregulierer und als Herr Uth dessen Büro, zusätzlich zum eigenen, mit übernahm. Er hätte, das lässt sich mit dem Abstand von Jahren sagen, sich frei machen sollen von dem einen oder anderen Vorgang, hätte Mitarbeitern vertrauen, hätte ruhig mal delegieren sollen. So aber sitzt er nun hier, nachdem die Sachen nicht mehr so geklappt hatten, die Direktion ihm die Leitung wieder weggenommen hatte und die Chemie mit der neuen Büroleiterin nicht stimmte und nach einer schlagartigen Arbeitsunlust und einigen Versäumnissen, die dann hier oder dortentstanden, und nach einigem Ärger mit der Revision, welche Fälle aus dem Keller geholt hatte, bei denen bestimmte Fehlregulierungen festgestellt wurden, und als er, 55 Jahre alt, schlussendlich entlassen worden war und seine Tage zu Hause fristete: Da kam Frau Uth abends nach Hause, und nichts war gemacht. Nun kommt sie nicht mehr.
    Ein Hirn, das Arbeit gewohnt ist, ein Hirn, das sich über Jahrzehnte in den Dienst einer Versicherung gestellt hat, um kleinen Betrügereien zum Schaden eines Berliner Autoverleihers auf die Schliche zu kommen, ein Hirn, dem, wenn man der gerichtlich bestellten Expertin glauben will, eine narzisstische Akzentuierung innewohnt – ein solches Hirn sollte nicht sich selbst überlassen werden. Ein Hirn wie dieses nämlich ist Dinge zu organisieren in der Lage, es ist Pläne zu fassen in der Lage, und gefüttert wird es von einer vielleicht nie recht ausgelebten Fantasie, und angetrieben wird es von den Schlägen, die sein Besitzer hat hinnehmen müssen. Wäre seine Frau, so wird Herr Uth vor Gericht aussagen, nicht ausgezogen, so wäre er doch auf diese ganzen Ideen gar nicht gekommen. Wenn man arbeite, wird Herr Uth sagen, dann erreiche man doch diese wahnwitzige Ebene gar nicht.
    So aber legt er los: Er hat ungefähr 70   000 Euro Abfindung bekommen, er bezieht ein stattliches Überbrückungsgeld, und wie die Dinge eh nicht zum Besten stehen in der Beziehung, da räumt Herr Uth auch das eheliche Girokonto leer und den Dispo gleich mit: Das sollte reichen für den Feldzug. Herr Uth mietet Büroräume an, 700 Euro monatlich, das ist vertretbar, das zeigt, dass Herr Uth nicht manisch ist: Ein Maniker, so wird die psychiatrischeGutachterin später sagen, hätte gleich die ganze dritte Etage am Potsdamer Platz angemietet. Herr Uth hingegen ist ein Mann in einer Krise, ein Mann in einem Rausch: Büromöbelwerden angeschafft, eine CD voller Adressen aus provinzielleren Regionen Baden-Württembergs wird gekauft (er wolle nicht sagen, dass die Menschen dort Hinterwäldler seien, wird Herr Uth sagen, doch hätten sie eben nicht so das Städtische im Erkennen), ein guter Drucker zu 4000 Euro wird angeschafft, eine Kuvertiermaschine, 2500 Euro. Eine erste Charge Briefe wird bestellt, 50   000 Euro. Herr Uth ordert noch nach: 100   000 Kuverts liegen dann vor, bei 7000 Stück davon sehen die Ausdrucke nicht so schick aus, die hält Herr Uth erst mal zurück. Die werden später sichergestellt. Die übrigen gehen raus, die Weltmeisterschaft steht vor der Tür, da ist das Land in einem freudigen Erregungszustand, da fällt es vielleicht leichter, denkt Herr Uth, die Menschen unter Druck zu setzen in ihren Hochschwarzwaldnestern, welche in den nächsten Tagen die Ausläufer durchrütteln werden von Herrn Uths persönlichem Beben: Allüberall in March, Eichstätten und Gottenheim, in Merdingen, Bötzingen und Hinterzarten, in den Birkenwegen und Erlenhainen dort, den Schwimmbadstraßen und Wassergässles, Rebstuhlwegen und Rathausstraßen ringsumher in diesen entlegenen Fernsehempfangsregionen bekommen Menschen Post von einer Firma aus Berlin:
    Durch Verordnung des Rundfunkrates vom 13. Mai 2005 dürften jetzt auch die privaten Fernsehanstalten nicht nur eine Gebühr für den Kabelempfang, sondern auch für den Sat-Empfangab dem 1. Januar 2006 erheben. Die Gebühr für den Sat-Empfang betrage monatlich brutto 6,50 Euro und sei jährlich im Voraus
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