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Was weiß der Richter von der Liebe

Was weiß der Richter von der Liebe

Titel: Was weiß der Richter von der Liebe
Autoren: Klaus Ungerer
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Louis-Vuitton-Täschchen auf vor Gericht, und vorgeschädigt soll er auch gewesen sein. Jetzt hat er wohl dieses Pfeifen auf den Ohren, er geht kaum noch in die Disco, und Entspannungskurse hat er auch belegt, die aber nicht richtig helfen. Und so was hat also gedient!
    Ja, so einer hat mit am Lagerfeuer gesessen, irgendwo im Wald auf dem Truppenübungsplatz Klietz, Landkreis Stendal, dem großen Feind Saukälte trotzend in jenem großen, teuren Indianerspiel, in das der junge Mann hineingeraten war. Was unter dem Namen Biwak auf einen zukommt, das gehört zu den großen gefürchteten Geheimnissen, die einen in jenem neuen Umfeld Wehrdienst erwarten; Gerüchteköche raten sehr zur Mitnahme von privater Unterwäsche oder dass man sich die Kleider mit Zeitungspapier ausstopft. Auf Vorgesetzte wie Oberfeldwebel Rühle hingegen, dreißig Jahre alt, kann man gar nicht vorbereitet sein. Den muss man erlebt haben. Ein solcher Ganzkörpermuskel mit Raspelschnitt, ein solcher straffer Afghanistan-Veteran (dessen dortige Einheit leider 2007 aufgelöst worden ist), ein solcher Mann kann dann – Zeugenberichten zufolge – mitten im kalten Wald plötzlich vor einem stehen und kann einen, nach Alkohol riechend, mit verwaschener Aussprache überraschend anfahren: Man habe die Wachablösung in der Schützenstellung soeben nicht richtig gemacht!
    Und selbst wenn das nicht stimmt und man Gegenargumentevorbringt, so kann ein solcher Oberfeldwebel einen zehn Minuten lang grillen und triezen, ehe er dann den Kumpel in sich nach außen stülpt: Er habe bloß sehen wollen, ob man einknicke. Und es spricht sehr für die nachwachsenden Generationen in Deutschland, dass sie sich dann auch vom Lob nicht mehr aus der Ruhe bringen lassen und noch vor Gericht dem uniformierten Muckertum gelassen bescheiden: »Die Wertschätzung eines alkoholisierten Vorgesetzten ist mir nicht so viel wert.«
    Das ist eine Souveränität, die leider nicht jedem gegeben ist. Und wenn wider Erwarten die tiefgefrorene Ödnis des Biwaks in einer unangemeldeten Explosion kulminiert, dann trifft es natürlich den am wenigsten dafür Gerüsteten, den Wehrdienstleistenden Andreas Isensee mit seinen vorgeschädigten Ohren. Eben noch sieht man die Goldkrone-Flasche kreisen, die hier vom Oberfeldwebel Rühle höchstpersönlich eingebracht worden ist, eben noch hat man sich kurz gewundert, wie die jetzt ins Feuer geraten ist – Sollte etwa der Oberfeldwebel sie vorsätzlich hineingeworfen haben? –, da kracht ein Knall los, mitten hinein ins traute Soldatenleben, und die Wache in der Schützenstellung kann gar nichts dafür. Die treue Goldkrone-Flasche hat sich der weiteren Dienstausübung entzogen. Oberfeldwebel Rühle weiß sofort, was zu tun ist. Oberstes Gebot jetzt: Disziplin! Wenn nun ein richtig doll Vorgesetzter erscheinen sollte, Leutnant Behnert etwa, so sei klar Meldung zu machen: Lediglich habe da eben ein Ast gekracht. Sonst schaufele man sich sein eigenes Grab. Denn so ist es nun einmal: Nichts stört die Saufmoral in der Truppe mehr als ein Leutnant, der Wind von der Goldkrone bekommt.Einziges Problem dabei: Beim Isensee piept’s jetzt. Und all die nächsten Tage piept’s weiter. Eingeschüchtert nimmt der Wehrdienstleistende zur Kenntnis, wie Oberfeldwebel Rühle und sein Kumpel, der nächstobere Webel Homp, sich in den nächsten Tagen intensiv um ihn bemühen: Er werde doch wohl nicht zum Truppenarzt gehen und Meldung machen über den Vorfall? Tag um Tag kommen die beiden kräftigen Vorgesetzten zu Isensee auf die Stube, sie kümmern sich, sie warnen kameradschaftlich vor Konsequenzen. Der Isensee aber wird davon nur immer ängstlicher und fängt im Bett an zu weinen. Dabei ist ja gar nichts passiert! Das sind doch alles ganz normale Vorgänge gewesen. Gegen eine Zahlung von 2000 Euro des Angeklagten Rühle an den Studenten Isensee wird das Verfahren also eingestellt – Geld, das der Goldbrandhandel nun wohl abschreiben muss.

BITTE BEEHREN SIE UNS BALD WIEDER
    Schwer wiegt so eine Besuchermarke in der Hand, ein regelrechter Barren aus Messing ist das ja, und schwer muss sie sein: Die Besuchermarke ist es, die den Gefängnisbesucher vom Insassen unterscheidet, quer und schwer wie eine Ahnung von Kette und Kugel soll sie dem Freien noch in der Hand liegen, einen Anker im Draußen soll sie ihm darstellen, der hier eine Zwischenwelt betritt; wandelnd gleich auf den Wegen der Verurteilten, denen man nahe steht auf irgendeine Weise, und deren manchmal
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