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Was weiß der Richter von der Liebe

Was weiß der Richter von der Liebe

Titel: Was weiß der Richter von der Liebe
Autoren: Klaus Ungerer
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Leben erhalten; manchmal schiebt er den Schulterbereich aufwärts, die Hände tief in der Cordhose vergraben – emotionaler Höhepunkt! Seine Geschichte geht so: Herr Röschen drang in sein Leben ein, von irgendwoher. Man hat zusammen Kaffee getrunken. Sich beim Umzug geholfen. Und dann verlor Herr Kubasch seine Familie:Alle beim Röschen gelandet. Und seinen Job in der Polizeiverwaltung ist er auch los, aus Verdachtsgründen. Wegen der Gefangenenbefreiung. Die Damen machen große Augen, schütteln die Köpfe: Ist ja nicht wahr! Und irgendwie haben sie recht.
    Die Liebe ist eine starke Macht, sie darf man nie vergessen. Die Liebe pirscht um jedes Haus, und stehe es im Sumpfgebiet, und stehe es in der Wüste oder in einem kleinen Ort nordwestlich von Berlin, den die Welt nur als Autobahnabfahrt kennt, auch hier klopft die Liebe nicht immer an, sie bricht herein und kümmert sich um Stilfragen wenig. Bei den Kubaschs kündigte sie sich per Kleinanzeige an. Der genaue Text ist nicht mehr überliefert, er hätte vielleicht sich ermitteln lassen, jedoch und aber: Wenn man den Staatsanwalt da so sitzen sieht, die Augen in der Luft, dann hätte noch einiges andere ermittelt werden können. Die Kleinanzeige jedenfalls hat es gegeben, das weiß auch Frau Kubasch noch ganz gut: Viel zu viele von diesen Kleinanzeigen hat es ja gegeben; immer wieder hat ihr Mann »auf seiner Selbstfindung« da noch andere Männer aufgetrieben für den Sex zu Dritt; und Frau Kubasch war dann immer froh, wenn es wenigstens zu einer Dauerfreundschaft über einen längeren Zeitraum kam, sie sagt: »Das war nicht so angenehm, der Verkehr mit Dritten.« Eines Tages kam so auch Herr Röschen ins Haus. Erst mal zum Beschnuppern. Dann regelmäßiger. Schließlich wohnte er halbwegs bei Kubaschs. »Verliebt«, sagt Frau Kubasch, »hatte ich mich relativ schnell.« In Herrn Röschen. Der den Zeugenstand auch schon beehrt hat: Klein, drahtig und frech stieß er Auskünfte aus, die man akustisch nicht immer verstand,seinen Fluchtgrund aus dem offenen Vollzug aber konnte er doch plausibel darlegen: Er war zum fünften Mal mit Alkohol im Blut in der JVA erwischt worden. Nun hätte er in den geschlossenen Vollzug gemusst. Und ditte macht Herr Röschen nisch mit. Und Herr Kubasch hat ihn abgeholt. Herr Kubasch hatte ihm ja gesagt: Wenn mal irgendwas ist, dann kommt er und hilft. Der hatte sich nämlich auch verliebt.
    Der Staatsanwalt holt seine Sinne kurz aus der Deckenbeleuchtung herunter, er spürt, dass man ihn um ein Plädoyer gebeten hat, sein Körper erhebt sich, die Zunge spult das Abzuspulende ab. Jeder im Saal spürt, dass er recht hat: Wer sonst, nach menschlichem Ermessen, wird es denn gewesen sein, der Herrn Röschen am Gefängnis einsackte und ihm am nächsten Tag noch die Sporttasche apportierte? Die Personenbeschreibung stimmt, die Begleitumstände lassen keinen anderen Schluss zu; Herr Kubasch ist es gewesen. Der Richter hat auch eine Meinung. Die ersten zwei Punkte sind unstrittig, für die werden 40 Tagessätze à 30 Euro als Strafe verhängt. Aber was die Gefangenenbefreiung angeht: Da »bleiben Zweifel«. Da ist es »nicht ausschließbar, dass das Geschehen nicht stattgefunden hat«. Also Freispruch. Wofür ist man Jurist. Und gute Wünsche. Wofür ist man Mensch. »Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie«, sagt der feingliedrige, junge Richter, »dass Sie aus dieser Zeit herausfinden, so verfahren alles jetzt auch sein mag. Mein Eindruck ist: Ihnen war es peinlich, was da war.« Sehr höflich verabschiedet er sich von allen Beteiligten, von den Zuschauern – breitet seine schwarzen Schwingen aus und fliegt davon.

DR. KARRENBAUER LÖSCHT SICH AUS
    Herrn Dr. Karrenbauer eilt jetzt nicht der allerbeste Ruf voraus. Man könnte ihn also anschwärzen. Dennoch windet Jessy, 22, sich in den Klauen des Gerichts. Sie nimmt ihren Ex-Chef in Schutz, so gut sie kann. Knallerot wird sie in ihrer beerdigungsreif seriösen Aufmachung, als man die Wahrheit aus ihr herauswringen will: Ob sie sich jemals bedroht gefühlt habe durch Herrn Dr. Karrenbauer? Und was sie mit ihrer Aussage meine: Dass er auch gegenüber Patienten nicht immer der Einfühlsamste war? Jessy wird immer nur noch purpurner, ganz entzückend zu ihrem weißblonden Haar, doch dringt nicht mehr viel raus aus ihr. Schließlich hat sie ja ein gutes Zeugnis bekommen, und übertariflich bezahlt wurde sie auch. Jessy aalt sich im Vagen, sie entlockt dem Gericht noch die verzweifeltste
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