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Was uns nicht gehört - Roman

Was uns nicht gehört - Roman

Titel: Was uns nicht gehört - Roman
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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«Bleiben Sie hier, ich bin gleich wieder da.»
    Er verließ den Wagen und führte vor der Tür ein Telefongespräch, von dem ein paar Bruchstücke zu mir hereinschwappten. Ich verstand die Worte Embolie und rechtsseitig oder auch rechtzeitig , und am Ende des Gesprächs den Satz: «Ja, ich warte.» Das alles, wie mir schien, in größter Ruhe und Gelassenheit, aber als der Arzt zurück in den Wagen kam, erkannte ich auf seinem Gesicht eine flackernde Unruhe, die sich erst wieder legte, als ein Polizeiauto auf dem Parkplatz hielt und kurz darauf zwei Beamte in den Wagen traten.
    «Nüsslein», sagte der Arzt nicht ohne Erleichterung in seiner Stimme und streckte den beiden die Hand zur Begrüßung entgegen, «ich dachte, Sie sollten sich das einmal ansehen.»
    Der größere der beiden Polizisten, ein durchaus freundlich wirkender Mann, dessen Gesicht von einer gewaltigen Nase in zwei ungleiche Hälften geteilt wurde, nickte und bat mich, mit ihm mitzukommen.
    «Sie kennen das aus dem Fernsehen», sagte er, «ein paar Fragen, alles nur Routine, in zwei Stunden sind Sie wieder hier.»
    «Und Maria?», fragte ich.
    «Kümmern wir uns drum», erwiderte er, «das braucht jetzt seine Zeit.»
    Sein Kollege kniete unterdessen neben Maria und nahm ihren Körper in Augenschein, erkennbar darauf bedacht, sie nicht anzufassen. Ich hörte ihn tief ein- und wieder ausatmen, als wäre auch dies Teil seiner Untersuchung, und schließlich zog er ein paar Einweghandschuhe aus der Tasche seiner Jacke und streifte sie über.
    «Ich habe nichts davon mitbekommen», sagte ich, «am Morgen war sie einfach tot.»
    Der Polizist mit der großen Nase nickte. «Aber natürlich», sagte er, «trotzdem müssen wir uns ein bisschen unterhalten. So ist das nun einmal bei uns.»
    Er wartete, bis ich mich angezogen hatte, und als ich von der Tür noch einmal zu Maria zurückschaute, bildete ich mir ein, sie atmen zu sehen. Ganz schwach nur, ein kurzes Auf und Ab ihres Brustkorbs, und auch wenn ich wusste, dass das nicht sein konnte, war ich froh, dass mit dem kleineren der beiden Beamten auch der Arzt mit ihr im Wagen zurückblieb.
    Der Polizist fuhr ohne Eile. Ein einziges Mal sprach er mich von der Seite an, eine Frage, die ich nur halb mitbekam und die irgendetwas mit Marias Fuß zu tun hatte, doch als ich nachfragte, sagte er: «Egal, machen wir später.» Er grüßte aus dem Wagen, einen Mann, der an einer Fußgängerampel wartete und ihm, so glaubte ich zu erkennen, ähnlich sah, aber der Mann hatte anderes im Blick und bemerkte ihn nicht. Kurz darauf bogen wir auf den Parkplatz eines schmucklosen dreistöckigen Gebäudes ein, und als wir schließlich neben anderen Einsatzfahrzeugen zum Stehen kamen, bedeutete mir der Polizist mit einer knappen Geste seines Arms, auszusteigen.
    Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seitdem ich aufgewacht und Maria tot auf dem Boden gefunden hatte, aber es kam mir vor, als habe sich alles, was seitdem geschehen war, binnen Sekunden vor mir abgespult, jedes einzelne Bild so verschwommen und unwirklich wie Marias Tod selbst. Der Polizist führte mich in einen kahlen Warteraum, der mit ein paar Plastikstühlen und einem Tisch möbliert war, an dessen Kanten bereits das Furnier abplatzte, an der Wand ein Bild des Bundespräsidenten, der gütig auf mich herablächelte wie auf jeden anderen, der hier saß und auf irgendetwas wartete, das in seinen Plänen nicht vorgesehen gewesen war.
    «Wir holen Sie», sagte der Polizist. «Und nicht weglaufen, das mögen wir hier nicht.»
    Er nickte mir zu, dann schloss er hinter sich die Tür und ließ mich in der Stille des Raumes zurück.
    Ich wartete einen Moment, dann ging ich zum Fenster und sah hinaus in den Regen, der vom Wind über den Parkplatz und die angrenzende Straße getrieben wurde, ein Stück weiter der Rhein, der sich gänzlich unbeeindruckt gegen das Wetter voranschob, ein paar Schaumkrönchen nur, die man genauso gut übersehen konnte. Auf dem Parkplatz ging auf einem der Einsatzwagen das Blaulicht an. Ich wartete darauf, dass der Wagen losfuhr, aber als er sich nach mehreren Minuten noch immer nicht von der Stelle bewegt hatte und lediglich ein Polizist ein- und kurz darauf wieder ausgestiegen war, wandte ich mich vom Fenster ab und setzte mich auf einen der Plastikstühle am Tisch. Der Stuhl war kalt und hatte eine überraschend nachgiebige Lehne, und schon nach wenigen Minuten schmerzte mir der Rücken. Vermutlich, so dachte ich, war genau das sein
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