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Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Titel: Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman
Autoren: C.H.Beck
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und streckt die Arme nach ihm aus. Sehr laut wiederholt sie mehrmals einen kurzen Satz, wie um den Stamm herbeizurufen. Er ist sofort auf der Hut, er hat keine Ahnung, gegen welches Gebot er verstoßen haben könnte. Instinktiv begreift er, dass seine Körperbemalung diesen Aufruhr verursacht.
    Sie laufen alle zusammen, umzingeln ihn und betrachten, was er nicht verbergen kann.
    Die Alte spricht einige weitere Worte. Dann kann sie vor Schluckauf nicht mehr weiterreden, ihre Schultern zucken, und aus ihrem Mund kommen unartikulierte Laute – ja, die Alte lacht, sie lacht, bis sie keine Luft mehr bekommt und ihr die Tränen aus den Augen laufen.
    Auch die Frauen fangen an zu lachen, dann die Kinder und am Ende die Männer. Sie lachen aus vollem Halse, scherzen miteinander, schlagen sich auf die Schenkel, reiben sich die Augen und fangen wieder an zu lachen.
    Auf eine böse Überraschung, auf Beleidigungen und Schläge wäre er vorbereitet gewesen. Doch dieser Ausbruch von Heiterkeit macht ihn fassungslos: Noch nie hatte er so viel allgemeine Belustigung miterlebt. Er begreift nicht, was an seiner Bemalung so komisch sein soll.
    Was tun? Er atmet tief durch, breitet die Arme aus und improvisiert einige Tanzschritte, eine Art Gigue, er lässt seine Muskeln spielen und bringt seinen geschmückten Körper besser zu Geltung. Er wackelt mit den Hüften und wartet, wie der Stamm reagiert.
    Die Gruppe wird erneut von einem Lachanfall geschüttelt. Die Kinder lassen sich auf die Erde fallen und werfen die Beine in die Höhe, die Frauen weinen vor Lachen und bekommen keine Luft mehr, die Männer klatschen in die Hände und stoßen Freudenschreie aus. Die allgemeine Fröhlichkeit scheint kein Ende nehmen zu wollen, sobald eine Pause entsteht, entfacht ein weiterer Scherz die Heiterkeit der Gruppe von Neuem. Auch Waiakh trägt mit einem Einfall dazu bei.
    Nach einer Weile beginnt auch er selbst, zu lächeln und dann aus vollem Herzen mit den anderen zu lachen. Er weiß nicht warum und worüber, ob über sein erlittenes Schicksal, weil er die anderen lachen sieht oder weil er derart im Mittelpunkt steht, er lacht einfach mit, das Lachen ist wie eine Droge, die sich in ihm ausbreitet, wie eine wohltuende Wärme, ein Ausbruch in Richtung unbestimmter Augenblicke des Glücks, ein Weg, an der Stimmung des Stamms teilzuhaben.
    Er legt die Hand auf seine bemalte Brust und sagt stolz: «Amglo!» und bricht erneut in Lachen aus.
    Sechzehnter Brief
    Charlotte de Vallombrun
Vallombrun, 8. April 1868
    Monsieur le Président,
    Vicomte Louis und ich möchten Ihnen für Ihre tröstenden Worte danken, die Sie uns in Ihrem Brief vom 25. März haben zukommen lassen. Sie tragen dazu bei, dass unsere um den frühen Tod unseres Bruders Octave trauernden Seelen ein wenig Erholung finden.
    Sie hatten die Freundlichkeit, uns den Nachruf, den die Revue de la Société de Géographie veröffentlichen wird, vor Drucklegung vorzulegen, und dafür danken wir Ihnen. Die lobenden Worte, mit denen Sie den Verstorbenen und sein Werk beschrieben haben, entsprechen in allem unserem Gedenken an ihn, das wir für immer bewahren werden. Wir wünschen lediglich, dass Sie den Absatz herausnehmen, welcher dem weißen Wilden gewidmet ist. Bei der Angelegenheit Pelletier handelt es sich um eine private Wohltat, die für die Geografie keinerlei Nutzen hatte.
    Wir haben auch bemerkt, dass der Vorstand in Kürze – und nach Ihren Worten wohlwollend – unseren Vorschlag zur Vollstreckung des Testaments prüft. Wir erwarten mit Zuversicht den Augenblick, in dem wir mit Ihnen den notariellen Akt unterzeichnen können.
    Vor zwei Jahren übergab Octave dem Museum in Grenoble den Großteil der Gegenstände, die er von seinen Reisen mitgebracht hatte. Auf dem Speicher sind trotzdem noch zwei Überseekoffer verblieben, deren Inhalt er eigenhändig protokolliert hat. Falls alle oder nur einige dieser Gegenstände für die Société de Géographie von Interesse sein sollten, wird es mir ein Vergnügen sein, Ihnen diese zukommen zu lassen.
    Der erste Koffer ist aus Leder und mit Nieten verziert. Er enthält allerlei Kleidungsstücke, sie sind aus naturfarbener Wolle, zumeist gebraucht und an den Ellbogen und Knien ausgebessert, dazu Handschuhe, Mützen, Schals gegen Schnee und Kälte; dann eine Bibel in isländischer Sprache mit einer auf Deutsch verfassten Widmung vom Pfarrer, der ihn dort beherbergte; Messer, Nadeln in allen Größen, Schachfiguren aus Fischzähnen, von welchem
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