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Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Titel: Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman
Autoren: C.H.Beck
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Meerestier, weiß ich nicht; eine Stoffpuppe; Schneeschuhe; eine stählerne, mit Widerhaken gespickte Harpune.
    Der etwas größere zweite Koffer ist weniger aufwendig hergestellt. Darin befinden sich aus breiten Blättern geflochtene Röcke und Gürtel; ein Geduldspiel; eine aus einer Kokosnuss geschnitzte Hütte; zwölf lange, aus weißen und gelben Muscheln gefertigte Halsketten; eine scheußliche Maske aus schwarzem Holz mit roten Bemalungen und einem verzerrten Mund, aus dem die Zunge halb heraushängt; vier Stäbe; eine «Gabel aus dunklem Holz mit drei krummen Zähnen, auch Kannibalengabel genannt»; fünf kleine, hölzerne Figuren, die entfernt an Menschen erinnern; acht «Zaubersteine», schwarze und grüne; eine «Münze der Kanaken»; ein Segeltuch, in dem sich alle möglichen merkwürdigen Samenkörner befinden; ein federner Kopfschmuck, der bereits zu Staub zerfällt.
    Und schließlich habe ich zwischen Octaves Papieren noch eine Notiz gefunden, die ich übersehen hatte und die sich mit Ihrer Gelehrtengesellschaft beschäftigt. Ich konnte nicht alles entziffern oder verstehen,und es ist ziemlich sicher, dass Octave nicht wollte, dass eine solche Gedankenskizze in fremde Hände gelangt. Doch weil dort geschrieben stand, dass er seine Überlegungen, die kurz vor seinem Ableben gereift sind, nicht ausgestalten wolle, schien mir angesichts der Beziehungen zwischen Ihnen und ihm und Ihrer Stellung, dass dieser grobe Entwurf Ihnen nützlich sein könnte. Ich werde Ihnen eine Abschrift davon anfertigen lassen. Sie werden sehen, dass er sich gegen einen gewissen Leroy auslässt: Ich zähle in dieser Sache auf Ihre Vertraulichkeit.
    Monsieur le Président,
    Ihre ergebenste und bescheidene Dienerin
    17. Januar
    Für/wider die Société de Géographie
    Die Société de Géographie irrt und hat zugleich recht. Sie irrt, indem sie versucht, unzivilisierte Völker kennenzulernen – man wird sie niemals kennen; indem man sie beobachtet, verändert man sie; es ist mithin unmöglich, diese Neugier zu befriedigen, und das Ganze kann nur in Illusion münden –, doch hat sie recht, indem sie versucht, als Erste zur Stelle zu sein. Um alles zu erfassen, und weil der weiße Mann am Ende ohnehin alles Neuland betreten wird, ist es besser, wenn es ein Wissenschaftler und kein Haudegen ist, der den ersten Kontakt herstellt, (? unleserliches Wort) oder ein Pfarrer oder ein raffgieriger Händler. Oder alles drei zusammen.
    Die Wälder werden nie dicht genug, die Wüsten nie trocken oder heiß genug sein.
    Die Hauptsache ist der Frieden. Und Frieden bedeutet Flucht.
    Habe in der letzten Ausgabe der Revue de la Société de Géographie einen langen Beitrag von Leroy über die Indianer von Nord-Québec gelesen. Leroy, König der Dummköpfe! Die gewitzten Wilden haben ihm alles erzählt, aber alles verkehrtherum, und offensichtlich hat er nichts davon gemerkt. Er wiederholt ihre Geschichten, ohne sie jemals zu hinterfragen. Wie ein Papagei.
    Die Indianer sprechen mit Leroy. Indem sie ihm Lügen erzählen, ihre einzige mögliche Rettung, flüchten die Indianer. NP ist geflüchtet. Die Kinder von NP flüchten. Ich bleibe allein.
    [Drei Zeilen unlesbar, bis auf das Wort Australien]
    Wilder inmitten von Wilden. Für die Wilden ein Wilder. Im Garten des Gouverneurs betrachtete er vom höchsten Punkt aus über die Mauern hinweg das Meer.
    Der Weg ist wichtiger als die Vision [? Oder Mission? Begriff unsicher]
    NP ist geflüchtet, um seinen Frieden wiederzufinden. NP hat während der Dauer der Vollversammlung der Société de Géographie gelächelt.
    Was haben Wilde für einen Frieden? Was ist er wert?
    NP ist nicht [vier unleserliche Worte]
    Monsieur le Président, von jenem Ufer menschlicher Universalgelehrtheit aus, an dem ich als Erster angelangt bin, kann ich Sie, glaube ich, nicht mehr erkennen.
    Die Flucht von NP ist eine persönliche Niederlage und ein wissenschaftliches Faktum.
    Für mich ist die Flucht von NP Verrat, Geständnis, Versprechen, Ausdruck von Freundschaft und Vertrauen; und ob die Wissenschaft gesiegt hat, ist leider egal.

17
    Er betrachtet die beiden kleinen Inseln in der Mitte der Bucht: Die eine ist üppig bewachsen, leuchtend grüne, in der leichten Brise wogende Palmen ragen hervor; die andere ist ohne jedes Leben, nur ein Sandhaufen, auf dem sich das senkrecht einfallende Licht spiegelt.
    Waiakh sammelt Muschelschalen. Er winkt ihm zu. Die Tätowierung, die um sein linkes Fußgelenk verläuft, stört ihn
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