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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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zeugen.
    Der Gedanke daran hatte zwar nur wenige Momente gedauert. Doch als sie an diesem Morgen die Wohnung verließ, um zur Arbeit zu gehen, schlich er sich schon wieder in ihr Bewusstsein.
    Sie war so in ihre Überlegungen versunken, dass sie im Treppenhaus beinahe über das Bobbycar von dem niedlichen Nachbarsjungen gestolpert wäre, der mit seinen jungen Eltern das Erdgeschoss bewohnte.
    Lisa trat aus dem Haus und schüttelte amüsiert den Kopf. Sie sollte sich jetzt besser auf ihren Weg zur Arbeit konzentrieren!
    Der Mode-Laden, den sie zusammen mit Jutta im Frühling eröffnet hatte, lag nur rund zehn Gehminuten von ihrer Eimsbütteler Wohnung entfernt. Aber weil sie etwas früher dran war als gewöhnlich, machte Lisa an diesem Morgen spontan einen kleinen Umweg, um sich bei anderen Schaufenstern Ideen abzugucken. Schließlich hatten sie beide bislang kaum Erfahrung im Einzelhandel gesammelt, abgesehen von kurzen Aushilfsjobs während ihres Design-Studiums an der Fachhochschule. Dort hatten sie sich gleich in der Einführungswoche kennengelernt. Und schon damals träumten beide von einem gemeinsamen Label und einer eigenen Boutique. Nach kürzester Zeit konnten sie auch schon mit einem passenden Namen dafür aufwarten: JuLi – eine Zusammensetzung aus ihren Vornamen.
    Aber es brauchte erst die Finanzkrise und eine große Portion Mut, bis sie sich im vergangenen Jahr tatsächlich dazu entschlossen, einen leerstehenden Ladenraum anzumieten und ihre eigene Mode zu entwerfen. Neben dem hellen Verkaufsraum gab es auch noch eine kleine Teeküche und ein weiteres Zimmer, das sie mit wenigen Mitteln zu einem Atelier umfunktioniert hatten.
    Vor der Gründung ihres Labels hatte Lisa ein Volontariat bei einem großen Hamburger Verlag absolviert und danach einige Jahre als Mode-Redakteurin für verschiedene Magazine gearbeitet. Eine Zeit lang gefiel ihr das auch sehr gut. Aber als der Druck wuchs und immer mehr Anzeigenkunden wegbrachen, wurde ein Großteil der Festangestellten in die freie Mitarbeit geschickt.
    Lisa machte aus der neuen Situation das Beste und genoss es anfangs sogar sehr, sich ihre Zeit wieder frei einteilen zu können. Immerhin konnte sie auch mal einen Auftrag ablehnen, wenn ihre Chefredakteurin anrief und sie zu einem Termin schicken wollte, auf den sie absolut keine Lust hatte. Doch mit der Zeit wuchs der Wunsch, lieber selbst Mode zu entwerfen, anstatt über Trends und Ideen anderer zu berichten.
    Lisas große Leidenschaft waren schlichte Kleidungsstücke, die auf den ersten Blick im Vergleich zur hippen Konkurrenz vielleicht etwas langweilig wirkten. Doch wenn man sie geschickt mit Accessoires kombinierte oder mit anderen Teilen der Kollektion variierte, bestachen sie durch charmante Zeitlosigkeit. Auf jeden Fall mochte sie die Mode abseits des gängigen H&M-Mainstreams.
    Jutta hingegen war viel flippiger und hatte schon als Teenager verrückte Taschen und Schmuck gefertigt. Damals hatte sie sogar Waschlappen und Nudeln zweckentfremdet und sich im Baumarkt nach originellen Materialien umgesehen. Heute bildeten die beiden ein gutes Team, und sie waren längst zu besten Freundinnen geworden, die sich alles erzählten.
    Als Lisa in die Osterstraße einbog, auf der sich ein Geschäft an das nächste reihte, hörte sie plötzlich ein fieses Röcheln hinter sich. Sie sah sich um und erblickte einen obdachlosen Mann. Er saß unweit der Eingangstür ihres Lieblingsbäckers und hustete sich fast die Seele aus dem Leib. Lisa hatte ihn schon öfter hier sitzen sehen, aber sich jedes Mal bemüht, ihn nicht anzustarren, weil er einen ziemlich griesgrämigen Eindruck machte.
    Auch jetzt schaute er sie böse an, sodass Lisa schnell wegsah und so tat, als hätte sie ihn nicht bemerkt. Eilig steuerte sie den Bäcker an, und da kein Kunde im Laden war, wurde sie auch direkt bedient. Wie so häufig erstand sie drei leckere Müslistangen. Eine davon wollte sie sofort anbeißen, obwohl sie morgens eigentlich meist keinen Hunger verspürte. Die beiden anderen würde sie später mit Jutta zum obligatorischen Nachmittagskaffee essen.
    Als sie wieder auf die Straße trat, schielte Lisa doch noch einmal schüchtern in Richtung des Herrn Griesgram. Ob sie ihm einfach eine Müslistange anbieten sollte? Doch er schaute weg. Also drehte Lisa sich in die entgegengesetzte Richtung, um ihren Weg fortzusetzen, und stieß prompt mit einem kleinen Mädchen zusammen. Erschrocken entschuldigte sie sich sofort.
    Die Kleine hatte ein

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