Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will
Autoren: Sofie Cramer
Vom Netzwerk:
später als gewöhnlich nach Hause kam, rief sie ihn an. Das hatte sie früher nie getan, allein schon weil sie wusste, dass ihn das bloß nervte. Eigentlich war Lisa auch kein ängstlicher oder misstrauischer Mensch. Ganz im Gegensatz zu ihrer engsten Freundin Jutta, die sogar heimlich die Handys und Hosentaschen ihrer Freunde kontrollierte, um sich der Treue des anderen zu versichern.
    Aber seit sie aus den Flitterwochen zurückgekehrt waren, hatte Lisa das Gefühl, überall lauerten Gefahren. Und sie musste sie zumindest einmal im Kopf durchdenken, damit sie ja nicht wahr werden würden. Sie bildete sich ein, sie müsse sich nur dankbar genug zeigen gegenüber Gott, dem Universum, dem Schicksal oder was auch immer, um weiterleben zu dürfen. Sie hoffte, dass auch Erik irgendwann diesen entsetzlichen Albtraum aus seinem Kopf verbannen könnte, den er bereits im Flugzeug gehabt hatte. Lisa sehnte sich nach unbekümmerter Lebensfreude.
    Erik holte tief Luft, als wolle er etwas wirklich Wichtiges loswerden. «Ich bin auch müde», seufzte er. «Und weißt du was?»
    Er schaute Lisa in die Augen und doch irgendwie durch sie hindurch. Lisa ermunterte ihn mit einem fragenden Blick, weiterzusprechen.
    «Manchmal bin ich sogar richtig lebensmüde», fuhr er fort.
    Lisa spürte plötzlich ihr Herz heftig schlagen. «Was heißt das denn?», fragte sie und versuchte, dabei nicht allzu ängstlich zu klingen.
    «Ich weiß, das hört sich bescheuert an, aber …» Erik zögerte.
    «Aber?»
    Lisa stand von der Bank auf, ging um den Tisch herum und setzte sich auf seinen Schoß. Sie streichelte ihm über sein hellbraunes Haar, das er seit der Reise nicht mehr hatte kurzschneiden lassen.
    «Ich krieg das irgendwie nicht auf die Reihe», erklärte Erik mit einer latenten Aggressivität in der Stimme. «Ich muss immer wieder an den komischen Traum vom Absturz denken. Und gleichzeitig komme ich mir dabei komplett verrückt vor.»
    Lisa atmete tief durch und suchte nach den richtigen Worten, um ihn zu beruhigen und ihn gleichzeitig zum Weiterreden zu animieren. Bisher hatten sie das Thema nur selten gemeinsam behandelt.
    «Du bist nicht verrückt», erklärte sie. «Ich kapier das alles ja auch nicht. Aber irgendeinen tieferen Sinn wird das Ganze schon haben.»
    Erik verdrehte seine Augen, so, wie er es immer tat, wenn Lisa ihm zu gefühlsduselig wurde. Bei jedem Happy End im Kino oder wenn sie ein rührendes Buch ausgelesen hatte und noch völlig ergriffen war, grinste er sie schief an und gab ihr damit das Gefühl, eine hoffnungslose Romantikerin zu sein.
    Diesmal blieb Lisa aber ernst und hielt seinem Blick stand. «Glaub meinetwegen an einen Zufall, wenn es dir hilft. Aber ich bleibe dabei: Wenn irgendwas oder irgendwer gewollt hätte, dass wir in der Unglücksmaschine sitzen, wäre es auch so gekommen.»
    Erik wirkte überrascht. Mit so viel Gegenwind hatte er offenbar nicht gerechnet. Einen Moment schien er zu überlegen, ob er das Gespräch vertiefen sollte. Doch dann überspielte er seine Verunsicherung wie immer mit einem Scherz.
    «Und wie gedenkt dieser Jemand, etwas gegen meinen Riesenhunger zu tun?»
    Lisa musste schmunzeln, obwohl sie lieber noch eine Weile über das stechende Thema gesprochen hätte. Doch sie ahnte, dass jedes weitere Wort Eriks Verschlossenheit und Verwirrung im Moment nur noch größer machen würde. In letzter Zeit hatten sie ohnehin viel zu viel diskutiert. Und meistens waren danach beide niedergeschlagen zurückgeblieben.
    Lisa stand auf und sah Erik über die Schulter spöttisch an. «Ich denke, dieser Jemand weiß, dass du groß genug bist, dir selber ein Brot zu machen oder eine Pizza in den Ofen zu schieben.»
    Erik verzog das Gesicht und setzte ironisch nach: «Alles muss man selber machen! Wozu habe ich eigentlich geheiratet?»
    Mit einem Satz drehte sich Lisa zu Erik um und kniff ihm zur Strafe in seine rechte Wange. Erik schrie übertrieben auf, griff dann blitzschnell nach einem hölzernen Kochlöffel, der wie etliche andere Küchenutensilien in einem silberfarbenen Blumentopf steckte, und deutete an, ihr damit den Hintern zu versohlen.
    Mit einem Jauchzen flüchtete Lisa durch den langen Flur und sah sich mehrfach amüsiert nach Erik um, der siegesgewiss hinter ihr herrannte. Doch Lisa machte einen unerwarteten Schlenker ins Wohnzimmer und schaffte es, ihn kurzeitig abzuhängen. Erst als sie laut lachend im Schlafzimmer landete, holte Erik sie ein und warf sie mit sich aufs Bett. Beide
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher