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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will
Autoren: Sofie Cramer
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niedliches Gesicht mit einem schelmischen Grinsen und schaute Lisa mit einer entwaffnenden Direktheit an, die sie nun ebenfalls zum Lächeln animierte. Jetzt registrierte Lisa auch die anderen Kleinkinder, die an diesem Morgen den ohnehin lebendigen Stadtteil bevölkerten.
    Eine Frau nahm das niedliche Mädchen an die Hand, obwohl sie bereits alle Mühe hatte, auch die anderen Kinder im Gänsemarsch zusammenzuhalten. Die Kleine winkte zum Abschied.
    Lisa blieb irritiert zurück, denn die Geste berührte sie. Normalerweise gehörte sie nicht zu den Frauen, die vor Verzückung gleich ausflippten, wenn sie ein Baby oder Kleinkind sahen. Aber heute tat ihr Herz einen Sprung vor Entzückung. Ob das Muttergefühle waren?
    Lisa musste an zwei ihrer engsten Freundinnen denken, mit denen sie seit der Schulzeit jeden Liebeskummer und jeden Partyspaß geteilt hatte. Beide ließen nach der Geburt ihrer Kinder den Kontakt zu Lisa einschlafen. Andererseits hätte auch Lisa die Persönlichkeitsveränderungen der beiden durch den neuen Mutterstatus nicht länger ertragen können. Früher war sie sich beim Gespräch über die leidige K-Frage häufig wie eine Aussätzige vorgekommen. Sie hatte sich einfach nicht konkret vorstellen können, selbst Kinder zu haben. Doch heute kam sie sich beinahe lächerlich vor, wenn sie vorsichtig andeutete, dass sie ihre biologische Uhr langsam ticken hörte. Seit ihrem letzten Geburtstag im Juni war es auch nicht mehr einfach bloß ein lautes Ticken, sondern in manchen Situationen unüberhörbar ein schriller Alarmton. Ein Alarmton, der ihr 35. Lebensjahr eingeläutet hatte wie die letzte Runde bei einem Wettrennen.
    «Na?! Schläfst du noch?»
    Beinahe wäre Lisa an ihrem eigenen Laden vorbeigegangen. Sie war vollkommen in Gedanken versunken gewesen und hatte gar nicht bemerkt, dass Jutta längst die Tür aufhielt und breit grinste.
    «Du hast es wirklich nicht gesehen, oder?», wollte ihre Freundin gleich wissen.
    «Was meinst du?», fragte Lisa irritiert und schob ironisch ein strenges «Guten Morgen erst mal!» nach, als sie den Laden betrat und ihre Jacke über einen Stuhl hängte.
    Jutta riss ihr die Brötchentüte aus der Hand und stieß einen kleinen Freudenschrei aus. Sie fischte eine der duftenden Müslistangen heraus und biss beherzt rein.
    «Was?», fragte Lisa und sah ihre Freundin fast schon ein wenig gereizt an, weil sie nicht verstand, was diese Anspielung sollte. «Hab ich was verpasst?»
    «Aber hallo! Der Monteur war da und hat –»
    «Das Schild?», fragte Lisa aufgeregt.
    «Das Schild!», erklärte Jutta triumphierend. «Die haben mich aus dem Bett geklingelt.»
    «Und dann?»
    «Dann bin ich gerade noch rechtzeitig hier gewesen. Obwohl heute Samstag ist, stand der Typ schon um 8 Uhr auf der Matte und hat es gleich wie vereinbart angebracht!»
    «Ja und? Wie sieht es aus?» Lisa wollte gerade aus dem Laden laufen, um draußen nachzusehen. Da dämpfte Jutta ihren Enthusiasmus.
    «Unscheinbar.»
    «Unscheinbar?» Lisa schaltete augenblicklich von Begeisterung auf Enttäuschung. «Wie meinst du das?»
    «Na ja … Ich meine ja nur, weil du total blind daran vorbeigelaufen bist.» Jutta untermalte ihre Worte mit einem breiten Grinsen. «Also, ich finde es hammermäßig gut!»
    Sofort rannte Lisa neugierig nach draußen, dicht gefolgt von ihrer Freundin, die für einen Augenblick sogar ihre Müslistange vergaß.
    Seit der Eröffnung vor drei Monaten warteten Lisa und Jutta nun schon auf das neue Ladenschild. Das erste war beim Transport zu Bruch gegangen. Umso sehnsüchtiger hatten sie seitdem der Lieferung des Ersatzschildes entgegengefiebert, die sehr zu ihrem Ärger Woche um Woche nach hinten verschoben worden war. Beide wähnten darin schon ein schlechtes Omen.
    Als Lisa jetzt auf graublauem Acryl den weißen Schriftzug LIEBLINGSSTÜCKE und die geschwungene Unterzeile
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las, bekam sie glasige Augen. Der Laden war wirklich ihr ganzer Stolz.
    «Und?», fragte Jutta. «Du sagst ja gar nichts.»
    «Ich find’s gut. Richtig gut!» Zufrieden legte Lisa ihren Arm um Jutta.
    Die beiden Freundinnen lehnten ihre Köpfe aneinander und ließen das Schild für ein paar Sekunden voller Freude auf sich wirken. Dann unterbrach Jutta die feierliche Stimmung.
    «Wollen wir heute Abend zu Ed?», fragte sie und spielte damit auf ihr gemeinsames Lieblingslokal, den Spanier in der Nachbarstraße, an. «Wir haben schon ewig keine Tapas mehr gegessen.»
    «Ich weiß», seufzte
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