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Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Titel: Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
Autoren: Karl Marlantes
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Geschlechtsrollen werden immer flexibler. Das bringt beide Seiten in Turbulenzen, ganz sicher war das bei mir der Fall. Aber ich habe die Hoffnung, dass am Ende die Harmonie die Oberhand behält und wir voll integrierte Frauen in der Truppe haben, die gesunde Frauen sind, und voll integrierte Männer, die gesunde Männer sind.
    Das Militär echter Demokratien unternimmt heute große Anstrengungen, die Zahl unschuldiger Opfer zu minimieren. In genau dem Krieg, in dem meine Eltern an der Heimatfront Wärme und Harmonie fanden, töteten beide Seiten zu Hunderttausenden Zivilisten, auf schreckliche Weise und ohne groß darüber nachzudenken. Viele von meinen Leuten, die damals mitgekämpft haben, sind noch unter uns. Daran sieht man, wie ungeheuer schnell sich der Wandel vollzieht. Heute werden Militäreinheiten oft zu Hilfsmissionen ausgesandt. Die Streitkräfte der meisten Demokratien haben erfolgreich Frauen zu allen Einheiten zugelassen, außer zu denen, die in den Nahkampf gehen. Ares und Aphrodite sind eine Verbindung eingegangen, aber wie alle Verbindungen ist auch diese nicht ohne Schwierigkeiten und verlangt noch viel Arbeit.
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    Nachwort
    Ich habe zu erklären versucht, wie es für mich war, in den Krieg zu ziehen: Warum habe ich mich überhaupt gemeldet, was geschah, als ich in Vietnam war, und wie war es, als ich nach Hause kam.
    Was mich in den Tempel des Mars brachte, war eine sehr gegensätzliche Mischung aus Patriotismus, einem genetischen Imperativ, den Einberufungen, einer Sehnsucht nach Überhöhung und Flucht aus dem Einerlei, dem Bedürfnis, meine Männlichkeit zu beweisen, einfacher Selbsterprobung und Neugier. Im Tempel dann empfand ich eine überraschende Nähe zu denen, die ihn mit mir betreten hatten. Ich betete für die Errettung aus den Schrecken, aus Gemetzel und Tod. Nie habe ich mich Gott näher gefühlt und war ratloser angesichts des Problems des Bösen. Ich habe im Tempel des Mars Transzendenz erfahren, und kurzzeitig auch Ekstase, habe beschädigte Menschlichkeit erlebt und wilde Grausamkeiten, von mir und anderen, und das in einem das Verständnis der meisten Menschen übersteigenden Maß. Danach habe ich nie wieder so intensive Gefühle gehabt. Stattdessen stoße ich in der Zeitung oder wenn ich hurrapatriotisches, chauvinistisches Geschwätz höre, aus Albträumen hochschrecke und zu den merkwürdigsten Zeiten von ungebetenen Bildern aus meinem Gedächtnis heimgesucht werde, immer wieder auf verstörende Erinnerungen an die schlimmen Erfahrungen. Wobei ich gelernt habe, mich auch an die guten Gefühle zu erinnern, wenn ich Geschichten schreibe, Klavier spiele, mit meiner Familie Urlaub mache, alte Kameraden treffe und mit meiner Frau schlafe. Trotzdem sehne ich mich immer noch nach Überhöhung und Ekstase, kenne aber, wie ein auf dem Weg der Besserung befindlicher Alkoholiker, auch die zerstörerischen, gefährlichen Aspekte.
    Wir müssen offen und ehrlich in Bezug auf beide Seiten des Krieges sein. Je bewusster wir uns der Kosten eines Krieges sind, nicht nur in Form von Menschenleben und Geld, sondern auch in Bezug auf kaputte Psychen, zerstörte Seelen und Familien, umso weniger werden wir gewillt sein, unsere wertvollsten Anlagen und besten Waffen zu opfern: unsere Jugend, unsere heranwachsenden Männer und Frauen. Je genauer wir die Überhöhung und die psychologische und spirituelle Intensität des Krieges durchschauen, desto leichter wird es, uns unser Urteil durch sie nicht vernebeln zu lassen, wenn es das nächste Mal um die Entscheidung geht, in den Krieg zu ziehen oder nicht. Was uns am Ende vor der Verlockung des Krieges schützen wird, ist, Überhöhung und Intensität auf andere Weise zu erfahren. Der Ersatz für den Krieg ist nicht der Frieden. Der Frieden ist ein selten erreichter politischer Zustand des Daseins. Nein, der Ersatz für den Krieg findet sich in Spiritualität, Liebe, Kunst und Kreativität, die sämtlich durch individuelle, harte Arbeit zu erlangen sind.
    Solange Menschen gewillt sind, für Gewinn und Macht zu töten, oder einfach nur aus Irrsinn, brauchen wir Krieger genannte Menschen, die gewillt sind, sie zu stoppen. Ich habe meinen Teil beigetragen und kann nur weitergeben, was ich gelernt habe. Ich hoffe, ein jetziger oder zukünftiger Krieger wird sich durch mein Buch der von mir beschriebenen widersprüchlichen Kräfte bewusster werden, sie dadurch besser kontrollieren und ein besserer Krieger werden, als ich
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