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Was bin ich wert

Was bin ich wert

Titel: Was bin ich wert
Autoren: Joern Klare
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meine Mutter ein.
    –   Ich würde alles geben, was ich habe.
    Er schaut ihr nach, überlegt.
    –   Wie sähe denn dann mein Testament aus? Da wär ja nichts mehr übrig. Ich bin auch für andere Menschen verantwortlich. Für die müßte doch auch noch was bleiben.

44.
Ich als Leiche. Das könnte 250   000 Dollar bringen.
Besuch bei einer gut informierten Kollegin
    Meine Recherche nähert sich dem Ende. Der letzte Punkt auf meiner Liste ist meine Leiche. Auch die kann einen monetären Wert haben, so habe ich es zumindest bei einer Kollegin gelesen.
    Martina Keller ist eine engagierte und akribisch arbeitende Journalistin, die für ihre Arbeit schon viele Preise bekommen hat. In den letzten Jahren recherchierte sie ausgiebig über die Geschäfte mit menschlichem Gewebe und veröffentlichte 2008 dazu ein spannendes Buch mit dem Titel Ausgeschlachtet . Darin heißt es: »Das Gewebe von Verstorbenen gilt als altruistische Spende, treuhänderisch an Ärzte und Gewebebanken übergeben, um Kranken zu helfen. Allerdings sind der Gewebespender und seine Angehörigen die einzigen in einer langen Verwertungskette, die nichts verdienen.«
    Keller ist Mitte Vierzig und sehr schlank. Ich treffe sie in ihrem schlichten Arbeitszimmer in einem Hamburger Journalistenbüro. Sie bietet das »Du« an. Gern. Dann legt sie los.
    –   Menschliche Körper werden in der Medizin auf verschiedenen Gebieten kommerzialisiert. Ich habe mich bei meinen Recherchen vor allem auf tote Körper und die Gewebeverwertung konzentriert. Ein Verstorbener kann da nach Schätzungen bis zu 60 Patienten versorgen.
    Zu gebrauchen sind Sehnen, Bänder, Knochen, Menisken und andere Knorpelgewebe, Muskelhüllen, Augenhornhäute oder auch Herzklappen, Herzbeutelgewebe, Blutgefäße, Haut und Leberzellen. Ein großes gruseliges Ersatzteillager. Das entnommene Gewebe, sagt Keller, wird mehr oder weniger stark verarbeitet. Alte Knochen lassen sich beispielsweise zu teurem Knochenmehl vermahlen. Die gemeinnützige Stiftung Bio Implant Services mit Sitz im niederländischen Leiden berechnet für zehn Kubikzentimeter Knochengel eine Aufwandsentschädigung von 820 Euro. In den USA sei der Markt am stärksten kommerzialisiert.
    –   Mit den Produkten, die aus einer einzigen Leiche gewonnen werden, lassen sich dort alles in allem bis zu 250   000 Dollar verdienen. Das ist allerdings eine recht grobe Schätzung, und die Summe hängt auch mit dem Alter des Toten zusammen.
    250   000 Dollar, umgerechnet etwa 180   000 Euro. Dafür gäbe es in Berlin schon eine schöne Eigentumswohnung.
    –   Gibt es dafür Marktpreise?
    –   Ja, die gibt es. Allerdings werden die nur selten veröffentlicht. Tote Körper und Geld – da wird nicht gern drüber gesprochen.
    Es gibt eine ganze Reihe sogenannter Gewebe-, Augenhornhaut-, Knochen-, Herzklappen- oder Hautbanken. Im Magazin Stern hat Keller einige Zahlen von Preislisten und Bestellformulare einzelner Hersteller veröffentlicht. Eine Augenhornhaut schlägt demnach mit 1479 Euro zu Buche, eine Herzklappe mit 4491 Euro, ein Gehörknöchelchen kostet 385 Euro, ein Oberarmknochen 2908 Euro, ein Meniskus 2346 Euro, und für eine Achillessehne sind um die 800 Euro zu bezahlen. Menschliche Haut gibt es bereits ab 90 Cent pro Quadratzentimeter.
    Die rechtliche Lage ist kompliziert. Entsprechende Bestimmungen sind über drei Gesetze sowie diverse Verordnungen, Richtlinien und Leitfäden verteilt. Laut Transplantationsgesetz darf mit dem Leichengewebe selbst kein Geschäft gemacht werden. Die damit befassten Institutionen können ihren Aufwand aber in Rechnung stellen. »So kommen«, schreibt Keller in ihrem Buch, »die Preise für etwas in die Welt, das eigentlich keinen Preis hat.« Hamburger Rechtsmediziner, so weiß sie, erhalten für eine Gewebeentnahme eine Aufwandsentschädigung von bis zu 1500 Euro.
    Wer einen Organspenderausweis unterschrieben hat, gilt grundsätzlich auch als Gewebespender. Es sei denn, er oder sie hat den entsprechenden Passus durchgestrichen. Sämtliches gespendete Gewebe unterliegt in genehmigungsrechtlichen Fragen den strengen Auflagen des Arzneimittelrechtes. »Und mit Arzneimitteln«, so Keller, dürfen dann auch »prinzipiell Gewinne erzielt werden«. Die Gewebespende beschreibt sie als einen Markt, »auf dem neben vielen gemeinnützigen Akteuren auch profitorientierte Firmen agieren«. Allerdings gibt es ein paar wichtige Einschränkungen.
    –   Knochen, Sehnen oder Muskelhüllen
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