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Was bin ich wert

Was bin ich wert

Titel: Was bin ich wert
Autoren: Joern Klare
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Verwertungen für die plastische Chirurgie hinzunimmt, ist es mehr als fraglich, ob solche Zwecke den Eingriff in die Leiche rechtfertigen.
    Trotz allem, die 250   000 Dollar, die meine Leiche vom Standpunkt der Gewebevermarktung aus wert sein könnte, gehen mir nicht aus dem Kopf.
    –   250   000 Dollar ist ganz schön viel Geld, oder?
    Ich frage ganz vorsichtig. Keller schüttelt den Kopf.
    –   Erst mal ist es ja so, daß du nichts davon hast.
    Da hat sie recht. Ich kann ja nur spenden, nicht verkaufen. Ungerecht, denke ich. Keller sieht das anders.
    –   Ich finde das auch richtig so. Es geht um das Verhältnis, das man zu seinem Körper hat.
    Spontan fällt mir ein: Übergewicht, Rückenprobleme bei der Schreibtischarbeit, Knieschmerzen beim Joggen. Keller meint was anderes. Ihr geht es um das grundsätzliche Menschenbild und Selbstverständnis.
    –   Man hat ja nicht nur einfach einen Körper, an dem manrumschrauben kann wie an einer Maschine. Man ist ja auch der eigene Körper. Man nimmt sich über den Körper wahr. Viel geschieht da intuitiv. Deswegen finde ich es falsch, wenn der Körper behandelt werden soll wie eine Sache, wie ein Gegenstand. Das führt zu Entfremdung oder auch Mißbrauch. Und was für den lebendigen Körper gilt, hat auch Bedeutung für den Leichnam. Der tote menschliche Körper ist nicht einfach eine leere Hülle. Das sieht man ja auch daran, daß es sogenannte postmortale Rechte gibt, etwa die, seine Hinterlassenschaft zu regeln.
    Auf dem Heimweg betrachte ich meinen Körper mit etwas anderen Augen als zuvor. 180   000 Euro. Anfangs irritiert mich die Möglichkeit, ihn zu verkaufen, zu beleihen oder als Rohstoff zu vererben. Schließlich finde ich den Gedanken abstoßend. Überhaupt, ich glaube, mir reicht es. Genug Zahlen, genug Verwirrung. Zeit für die Abrechnung.

45.
1   109   236 , 34 Euro – die Abrechnung
    Auf meine Umfrage zum Wert eines statistischen Lebens habe ich aus meinem Freundes- und Familienkreis 24 Antworten erhalten. Im Durchschnitt sind sie bereit, 8043,75 Euro zu bezahlen, um ein jährliches Todesrisiko von 1/1000 mit Sicherheit ausschließen zu können. Die Bandbreite der Antworten ist groß. Zwei würden 50   000 Euro zahlen, sechs überhaupt nichts. Unter anderem, weil »es sich in meinem Alter nicht mehr lohnt«, »ich ein zu guter Autofahrer bin«, »kein Geld übrig ist« oder weil – buddhistisch und besonders beeindruckend – »meine Sichtweise auf dem karmischen Gedankengut beruht und somit solche Wahrscheinlichkeitsrechnungen unerheblich für mich sind. Bestimmt sollte jeder Mensch sein kostbares menschliches Potential schützen und bewahren und nicht in Gefahr bringen. Wenn sich allerdings die karmischen Winde erschöpfen, ist diese Art von Wahrscheinlichkeiten hinfällig.«
    Ich weiß, daß nicht alle die Frage gleich interpretiert haben. Das ist kein Zufall, sondern einer der schon erwähnten Schwachpunkte der Methode. Weil aber der Wert eines statistischen Lebens in meinem Umfeld erfreuliche und rekordverdächtige 8   043   750,00 Euro beträgt, bin ich geneigt, solche Zweifel für einen Moment beiseite zu schieben. Also weg mit den Bedenken und herzlichen Dank an alle Beteiligten für diese stolze Summe.
    Da ich den Taschenrechner einmal in der Hand habe, addiere ich die anderen ermittelten Werte gleich noch dazu. Da wären die Durchschnittssumme aller Schmerzensgelder für meinen Körper: 1,7 Millionen Euro, die neuerdings wieder zwei Millionen Euro von Spengler für »seinen« Wert des statistischen Lebens, die 1022,43 Euro aus der Apotheke, mein Humankapitalwert nach der Idee von von Hagens: 1   200   000 Euro, mein Humankapitalwert nach der Saarbrücker Formel: 112   411 Euro, die 6000 Euro, die eine künstlichen Befruchtung und somit ein Leben kostet, die 17   680 Euro nach dem Generationenkonto von Raffelhhüschen, die 600   000 Euro, für die ich mich laut meines Freundes Mohsin in Indien verkaufen könnte, die 996   412 von der Bundesanstalt für Straßenwesen, die eine Million Euro vom Umweltbun-desamt, mein Humankapitalmindestwert nach Nussbaumer auf Hartz- IV -Basis: 273   048 Euro, auf »Weltminimumbasis«: 56   575 Euro und auf »Weltarmutsbasis«: 11   315 Euro, die summierten QUALYs meiner statistischen Restlebenszeit von 1,55 Millionen Euro und der potentielle Wert meiner Leiche, der laut Martina Keller bei umgerechnet 180   000 Euro liegen kann. Ich verzichte dabei unter anderem auf
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