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Was bin ich wert

Was bin ich wert

Titel: Was bin ich wert
Autoren: Joern Klare
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haben den gleichen Status wie klassische Medikamente und dürfen entsprechend kommerzialisiert werden. Bei Herzklappen oder Augenhornhäuten zum Beispiel ist das aber anders. Sie gelten als »gering verarbeitet« und dürfen nicht gehandelt werden.
    Und noch etwas setzt der Kommerzialisierung hierzulande Grenzen: Der Markt wird überwiegend von gemeinnützigen Unternehmen bestimmt, wie dem Deutschen Institut für Zell- und Gewebeersatz oder der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation. Gemeinnützig heißt: Sie müssen Gewinne in das eigene Unternehmen investieren.
    –   Aber auch das sind Einrichtungen, die durchaus expandieren.
    –   Und wie sinnvoll ist die Transplantation von Gewebe?
    –   Da gibt es eine große Bandbreite. Wenn es zum Beispiel um Augenhornhäute geht, ist das ein erfolgreiches Verfahren, zu dem es keine Alternative gibt. Dann gibt es aber auch »Produkte« wie die azelluläre Haut. Die ist von den Spenderzellen befreit und wird unter anderem für das Aufblasen von Lippen oder beim Unterspritzen von Falten eingesetzt.
    Der Handel mit Leichenteilen hat eine lange Geschichte, um deren Erforschung sich vor allem der Schweizer Historiker Valentin Groebener verdient gemacht hat. So gab es schon im frühen Mittelalter einen regen Markt für Reliquien. Nachdem die Kirche im 13. Jahrhundert solche Geschäfte untersagt hatte, verkauften die Händler eben die Schachteln, Kästchen, Säckchen, in denen sich zum Beispiel »heilige« Knochenstücke befanden, um so teurer. Etwa vom Beginn des 16. bis ins20. Jahrhundert hinein wurden auch Teile ägyptischer Mumien als Heilmittel gehandelt. Da die Ware knapp und der Import illegal waren, begann man mit der entsprechenden heimischen Produktion, wofür vorwiegend die Leichen »armer Leute« verarbeitet wurden. Apotheken verkauften menschliche Hirne, Herzen, Fett, Haut und Haare oder auch geraspelte Schädelknochen als Arzneimittel. Da das Menschenfett in vielen Fällen von den Leichen Hingerichteter stammte, wurde es als »Armesünderschmalz« bezeichnet. Rohstoffgewinner waren dabei in erster Linie die Henker, deren Berufsstand dadurch beträchtlich an Ansehen gewann. In Münchner Apotheken wurde bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts ein Pfund Menschenfett zur Wundbehandlung für, je nach Marktlage, drei Gulden gehandelt, was in etwa dem Wert von 12 Pfund Butter, 36 Pfund Fleisch oder 45 Maß Bier entsprach.
    In ihrem Buch hat Keller eine Reihe von Skandalen aus den letzten Jahre aufgelistet und zum Teil auch selbst aufgedeckt, bei denen im Ausland Leichen, teils ohne Genehmigung, Gewebe entnommen wurde. Daher rührt der Titel ihres Buches: Ausgeschlachtet. An den Geschäften war auch eine deutsche Firma beteiligt. Sie importiert einen großen Teil ihres »Rohmaterials« aus den ärmeren osteuropäischen Staaten und produziert vor allem für den amerikanischen Markt. Immer wieder ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft in Osteuropa, in der Ukraine findet derzeit ein Prozeß statt, aber die Importe gehen bis heute weiter.
    –   Worin liegt für dich der Unterschied zwischen der Organ- und der Gewebetransplantation?
    Keller steht aus verschiedenen Gründen, das weiß ich aus ihrem Buch, auch Organtransplantationen kritisch gegenüber. Meine Frage zielt mehr auf den Kommerzialisierungsaspekt.
    –   An Gewebe kommt man leichter ran. Da stehen mehr Leichen zur Verfügung. Und man braucht auch weniger High-Tech. Organe müssen immer ganz frisch sein. Sie können nur einem hirntoten Körper entnommen werden. Beim Gewebe ist das nicht nötig. Man hat mehr Zeit zur Entnahme – bis maximal 72 Stunden nach Eintritt des Todes. Und man muß es auch nicht wie die Organe möglichst schnell weiterverwenden. Es wird verarbeitet und gelagert.
    In den deutschen Kliniken werden jährlich mehrere zehntausend Gewebetransplantationen durchgeführt. Genaues läßt sich derzeit nicht sagen. Zentrale Wartelisten und Verteilungsmodi existieren nicht, und eine umfassende Dokumentationspflicht gibt es erst seit kurzem.
    –   An welcher Stelle kommt die Kommerzialisierung ins Spiel?
    –   Stufenweise, im Zuge der Verarbeitung. Die Produzenten, die das Gewebe weiterverarbeiten, verdienen gut. In den USA sind das meist profitorientierte Unternehmen mit zum Teil rasant steigenden Umsätzen. Die suchen ständig neue Märkte und Anwendungen. Wobei es bei vielen Anwendungen bessere Alternativen gibt, die ohne gespendetes Gewebe auskommen. Und wenn man dann noch diverse
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