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Herrlich und in Freuden

Herrlich und in Freuden

Titel: Herrlich und in Freuden
Autoren: Compton Mackenzie
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Ein aufregender Brief

    Es war an einem Novembermorgen, einige Monate, nachdem Donald MacDonald, dreiundzwanzigster Laird von Ben Nevis, der langen und kriegerischen Geschichte des mächtigen Clan Donald ein neues und rühmenswertes Kapitel hinzugefügt hatte, als er nämlich die Invasion seines Hoheitsgebietes durch den Nationalen Touristen- Verein, kurz NATUVAU, verhinderte. Mrs. MacDonald von Ben Nevis hatte eine Besprechung mit ihrer Haushälterin, Mrs. Parsall, und zwar in jenem Zimmer von Schloß Glenbogle, das sie, obwohl es noch immer der Gelbe Salon genannt wurde, in eine traute Zufluchtsstätte für sich selber umgewandelt hatte, die ihr >Ewiges England< war.
    »Ich bin froh, daß Mrs. Ablewhite sich in den Ferien so gut erholt hat«, sagte Lady Ben Nevis zu ihrer Haushälterin.
    »Ja, wirklich, Madame, und sie hatte es dringend nötig! Die Sache mit dem verdorbenen Abendessen, als die Versammlung stattfand, schien richtig an ihr zu zehren, wie man so sagt.«
    »Und dabei ist sie eine so gute Köchin!«
    »Ja, Madame, bestimmt! Ich wüßte gar nicht, wo ich heutzutage so eine wie sie noch finden könnte!«
    Im gleichen Augenblick wurde die friedliche Atmosphäre in Mrs. MacDonalds Chintz-Heiligtum durch ein Geräusch zerrissen, das ein Fremder gut und gern mit dem ungeduldigen Gebrüll eines Löwen im Zoo eine halbe Stunde vor der Fütterung hätte vergleichen können.
    »Das scheint Ben Nevis zu sein, Madame«, sagte die Haushälterin mit der leisesten Andeutung einer mißbilligenden Falte oberhalb ihrer strengen und ehrwürdigen Nase.
    »Ich glaube auch«, gab Mrs. MacDonald zu.
    Ein paar Sekunden drauf wurde die Tür des Gelben Salons aufgerissen, und Ben Nevis persönlich stürmte herein und schwenkte in der Hand einen Brief.
    »Trixie, du mußt den Brief hier lesen! Guten Morgen, Mrs. Parsall! Ein Brief aus Indien, Trixie!«
    »Es wird doch Hector nichts zugestoßen sein?« fragte Mrs. MacDonald, und ihre im allgemeinen so gelassene Altstimme zitterte einen Augenblick besorgt.
    »Hah, das hängt ganz davon ab, was du >zugestoßen< nennst«, wetterte der Hochland-Häuptling. »Ich meine, nicht etwa, daß ihm eine Wildsau das Bein aufgeschlitzt hätte oder so etwas.«
    Mrs. Parsall hatte unterdessen die Tür erreicht.
    »Wollten Sie sonst noch etwas mit mir besprechen, Madame?«
    Mrs. MacDonald schüttelte den Kopf.
    »Die arme Seele hätte sowieso keine Gelegenheit gehabt, noch ein Wort zu sagen«, bemerkte Mrs. Parsall zu Mrs. Ablewhite, als sie nachher in ihrem Zimmer unten stand. »Er war mal wieder am Überkochen!« - Mrs. Ablewhite nickte weise.
    Der Hochland-Häuptling >kochte< wegen des Briefes aus Indien tatsächlich so sehr, daß seine Frau darauf bestand, ihn selbst lesen zu wollen.
    Das Briefblatt trug das Wappen der Clanranald-Hochländer des Herzogs von Clarence - den Clanranald-Bär unter einer Herzogskrone mit dem Regiments-Wahlspruch Air Adhart, ein schottisch- gälisches Wort, das >Vorwärts*« bedeutet. Das rotgedruckte Wort >Geheim< war gestrichen und durch >Vertraulich< ersetzt worden.
Standquartier Nord
Tallulaghabad
9. Oktober
    Lieber Ben Nevis,

    Als Kommandant und Vorgesetzter Ihres Sohnes Hector erachte ich es - nach reiflichem und besorgtem Nachdenken - für meine Pflicht, Ihnen zu schreiben; denn ich würde es für eine Pflichtversäumnis meinerseits ansehen, wenn ich Ihnen nicht mitteilte, daß Ihr Sohn sich vielleicht demnächst zu einer Heirat gezwungen sehen könnte, die bestimmt, davon bin ich ganz überzeugt, weder Ihre noch Mrs. MacDonalds Billigung finden dürfte.
    Ich habe Ihren Sohn Hector stets für einen meiner vielversprechendsten Offiziere gehalten, und wenn innerhalb der nächsten paar Jahre ein Krieg ausbricht (was wir natürlich nicht hoffen wollen), dann wird er, glaube ich, rasch befördert werden. Es wäre aber, falls ein. Krieg ausbrechen sollte, sehr bedauernswert, wenn lhr Sohn Hector sich mit einer nicht standesgemäßen Gattin verbunden hätte, da nichts der Beförderung so hinderlich ist. Die in Frage stehende Dame ist eine Mrs. Winstanley, die sich kürzlich von ihrem Mann, dem Direktor der Britischen Orient-Bank in Jumbulpore, hat scheiden lassen. Ein anderes Gerücht besagt, daß er sich von ihr scheiden ließ, und meine Frau läßt diesbezüglich Nachforschungen in England anstellen. Mrs. Winstanley ist eine junge Frau von etwa sechsundzwanzig Jahren, obwohl ich hinzufügen sollte, daß meine Frau behauptet, sie sei mindestens dreißig, in welchem
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