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0021 - Anruf aus dem Jenseits

0021 - Anruf aus dem Jenseits

Titel: 0021 - Anruf aus dem Jenseits
Autoren: Jason Dark
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Der Telefonhörer baumelte dicht über dem Boden, schwang wie ein Metronom hin und her. Das Besetztzeichen tönte aus der Muschel. Sonst kein Geräusch.
    Kein Atmen, keine Stimme…
    Und doch hatte jemand mit Martha Ilford gesprochen. Ihr Mann. Vor genau dreizehn Monaten war er gestorben. Martha sah alles so deutlich vor sich, als wäre es gestern geschehen. Larry befand sich auf dem Rückweg von einem Kunden. Es war Nacht. Die Dunkelheit hatte einen strahlenden Sommertag abgelöst. Doch plötzlich aus dem Nichts ein Gewitterregen. Im Nu waren die Straßen spiegelglatt. Und Larry Ilford fuhr viel zu schnell. Sein Wagen geriet ins Schleudern, krachte frontal gegen einen Baum.
    Das Fahrzeug war total zertrümmert. Der Fahrer starb an der Unfallstelle. Larry hatte sich nicht angeschnallt und war mit dem Kopf durch die Frontscheibe geschleudert worden.
    Ein schrecklicher Anblick.
    Martha Ilford hatte der Tod ihres Mannes hart getroffen. Sie stand allein, war hilflos, denn Larry hatte immer alles für sie geregelt. Über finanzielle Dinge wußte Martha überhaupt nicht Bescheid, und es dauerte ein halbes Jahr, bis sie sich halbwegs zurechtfand. Zum Glück hatte Larry ihr eine hohe Lebensversicherung hinterlassen. Von dem Geld konnte sie gut leben.
    Sie brauchte das Geld, denn mit vierzig Lenzen war es schwer, eine Anstellung zu finden. Gerade in der heutigen Zeit.
    Das Tuten riß sie aus ihren Gedanken. Martha faßte nach dem Hörer und legte ihn vorsichtig auf die Gabel. Dabei sah sie, wie sehr ihre Finger zitterten. Der Anruf hatte sie völlig verwirrt.
    Aber wer verbarg sich hinter dieser Stimme? Wer wollte sie in den Wahnsinn treiben? Wen hatte sie sich zum Feind gemacht? Und vor allen Dingen – wer konnte Larrys Stimme so gut imitieren?
    Daß es nicht ihr Mann war, mit dem sie gesprochen hatte, daran zweifelte sie keinen Augenblick. Tote können nicht reden. Und an Geister und Gespenster glaubte sie nicht, obwohl in letzter Zeit viel über Gespräche aus dem Jenseits geschrieben und gesprochen worden war. Für Martha Ilford war das jedoch alles Unsinn. Sie war eine Realistin.
    Sie stand auf und ging in die kleine Garderobe. Dort lagen die Zigaretten. Mit zitternden Fingern zündete sie sich ein Stäbchen an. Dabei fiel ihr Blick in den Spiegel.
    Alt sah sie aus, wirklich alt. Das braune Lockenhaar wirkte stumpf. Die Mundwinkel wurden von zwei scharfen Falten umrahmt. Unter den Augen zeigten sich Krähenfüße, die Haut hatte einen gelblichen Schimmer. Das violette Nachthemd fiel wie ein Vorhang zu Boden und schwang glockenförmig auf, als Martha Ilford in den Livingroom zurückkehrte.
    Die Bar befand sich in einem großen Globus. Larry hatte ihn noch kurz vor seinem Tod gekauft.
    Martha wählte einen alten französischen Cognac. Zwei Fingerbreit goß sie ins Glas und leerte es in drei Zügen. Rasch breitete sich die Wärme des Getränks im Magen aus.
    Martha ging es gleich wieder besser, und sie redete sich selbst ein, daß dieser Anruf nur ein böser Scherz gewesen war. Jemand wollte sie auf miese Art und Weise hochnehmen. Schon über zwanzig Minuten waren seit dem Anruf vergangen.
    Das Telefon klingelte, riß sie aus ihren Gedanken.
    »Nein«, stöhnte Martha, »nicht schon wieder. Bitte nicht…« Unbarmherzig rasselte der Kasten weiter. Martha ballte die Hände zu Fäusten, hielt sich die Ohren zu, doch das Klingeln drang auch durch diesen Schutz.
    Dann hielt sie es nicht mehr aus. Sie sprang auf, schnappte sich den Hörer, preßte ihn gegen das rechte Ohr und schrie: »Laßt mich doch in Ruhe!«
    Wieder die Stimme. Leise, kaum zu verstehen.
    »Martha, Darling – ich brauche Hilfe – Hilfe – es quält mich so. Ich kann nicht mehr – so hilf mir doch – die Geister – sie sind überall. Es ist so schrecklich – so grausam…!«
    Die Stimme verwehte, war zuletzt nur noch ein Hauch, der Martha Ilfords Ohr traf.
    Stille.
    Dann das Besetztzeichen. Monoton, für Martha überlaut. Sie sank auf der schmalen Couch zusammen, vergrub das Gesicht in beide Hände und schluchzte. Der Hörer lag auf ihren Knien.
    »Ich kann nicht mehr«, weinte sie. »Ich kann nicht…« Die beiden Anrufe innerhalb kurzer Zeit hatten die Frau nervlich ruiniert. Ihr Rücken verkrampfte sich. Schluchzen schüttelte ihren Körper. Martha Ilford war aufgeregt wie nie zuvor in ihrem Leben.
    Irgendwann legte sie den Telefonhörer auf. Sie tat dies mit einer mechanischen roboterhaften Bewegung. Hinter ihrer Stirn pochte es. Kopfschmerzen. Sie
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