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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
Autoren: John Lanchester
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das engere Zusammenwachsen Europas in Sachen der Finanzhaushalte. Dieser Prozess wird schmerzliche Verluste an Souveränität und Jahre der mühsamen Angleichung nationaler Gewohnheiten mit sich bringen. Die Römischen Verträge, mit denen 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet wurde,hatten den »immer engeren Zusammenschluss« der europäischen Völker zum Ziel. Aber niemand rechnete damals damit, dass das in irgendeiner Form schwierig oder teuer werden könnte. Dieser »immer engere Zusammenschluss« ist nunmehr zu einer wirtschaftlichen Notwendigkeit geworden, die vermutlich jahrelange politische und finanzielle Unannehmlichkeiten mit sich bringen wird.
    Im Zentrum des Problems steht die Tatsache, dass Deutschlands Wirtschaft größer und mächtiger ist, als es seinen Nachbarn guttut. Um das zu ändern, müsste man die europäische Geldpolitik dahingehend verbessern, dass es den schwächeren Ländern möglich wird, Schritt zu halten. Die Zinssätze, die den deutschen Herstellern während der ersten zehn Jahre des Eurosehr gelegen kamen, verursachten jedoch in Griechenland, Irland und Spanien toxische Kreditblasen. Es könnte weitere zehn Jahre dauern, bis die Folgen dieser Kreditblasen bewältigt sind – zehn Jahre Entbehrungen für die Bürger der genannten Länder, die einen Großteil der Zeit damit verbringen werden, im Schweiße ihres Angesichts die Steuergelder aufzubringen, mit denen man die deutschen Banken ausbezahlen kann, deren Kredite die Blasen mitverursacht haben. Deutsche Ersparnisse landen bei deutschen Banken, um dann an andere Länder weiterverliehen zu werden, damit diese deutsche Erzeugnisse von deutschen Unternehmen kaufen können, die ihre Einkünfte wiederum bei deutschen Banken sparen, um … und so weiter und so weiter.
    Das System ist keineswegs elegant, aber es wäre vielleicht aufrechtzuerhalten, immer gesetzt den Fall, die deutschen Steuerzahler sind gewillt, für die Zusammenbrüche und Bailouts aufzukommen, die unweigerlich folgen werden. Die deutsche Wirtschaft ist so mächtig, dass sie diese Belastung durchaus verkraften kann, wenn sie denn bereit dazu ist. Während sich die Probleme des Euro jedoch fortsetzen und die Umrisse dieses Arrangements immer klarer erkennbar werden, mehren sich die Zeichen, dass die Bereitwilligkeit der deutschen Wählerschaft, bei der Sache mitzuziehen, zunehmend schwindet.Die deutsche Boulevardpresse hat schon die Frage in den Raum ge Sn dn Wählersstellt, warum die Deutschen arbeiten sollten, bis sie 69 sind, nur um die Renten griechischer Beamter zu finanzieren, die sich schon mit 55 in den Ruhestand verabschieden. Diese Frage ist ein wenig überspitzt formuliert, hat aber durchaus ihre Berechtigung und findet bei Angela Merkel unverhohlenen Anklang. Sie hat mehr als einmal von der Notwendigkeit gesprochen, dass private Gläubiger, die griechische und andere Staatsanleihen besitzen, Verluste in Kauf nehmen müssen und dass nicht die gesamte Last auf die immer unwilliger werdenden Steuerzahler fällt. (Die Märkte hassen es, wenn sie das tut, und brechen sofort in Panik aus, es könne zu einer Zahlungsunfähigkeit der Eurozone kommen.)
    Letzten Endes könnte jedoch diese neue deutsche Haltung dazu führen, dass die Eurozone wirklich auseinanderbricht. Wenn sich die europäische Finanzpolitik nach deutschen Interessen richtet, werden sich weiterhin riesige strukturelle Ungleichgewichte anhäufen. Entweder werden die Deutschen dann dafür aufkommen müssen, diese Ungleichgewichte zu korrigieren, oder sie werden akzeptieren müssen, dass sich der Euro nicht allein den deutschen Bedürfnissen anpasst. Wenn sie zu keiner dieser beiden Konsequenzen bereit sind, hat der Euro keine Chance zu überleben.
    Das zentrale Problem bei dieser Frage geht auf das grundlegende demokratische Defizit zurück, von dem sowohl der Euro als auch die Eurozone gekennzeichnet sind. Die politische und ökonomische Elite, die damals das Projekt vorantrieb, hielt es nie für erforderlich, sich für ihre Vision im großen Rahmen um ein Wählermandat zu bemühen. Das ist nicht gerade überraschend, denn wir Wähler sind ein launenhafter und undankbarer Haufen. Es ist verständlich, dass man es damals versäumte, uns zu befragen, einzuspannen und hinreichend über Kosten und Nutzen zu informieren. Aber es war auch ein riesiger Fehler, für den wir hier und jetzt bezahlen müssen. Man hätte sich der Zustimmung und Unterstützung der Massen vergewissern müssen, als
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