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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
Autoren: John Lanchester
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Spanien, Frankreich und Großbritannien begegnet: Die Menschen dort werden von Verständnislosigkeit, Entfremdung und absoluter Hilflosigkeit überwältigt. Sie haben das Gefühl, ökonomisch und politisch so gut wie gar nichts bewirken zu können und kaum noch Kontrolle über ihr eigenes Leben zu haben. Während der Boom-Jahre hat ihnen niemand gesagt, dass diese Blase sich nicht ewig halten konnte, oder man tat es erst, als es längst zu spät war. Die kollektive Eigendynamik einer Kultur übt auf fast alle Menschen eine erdrückendeWirkung aus. Und das gilt besonders für all jene Bereiche, in denen es um wirtschaftliche Abläufe geht. Wie sich immer wieder herausgestellt hat, ist es nur allzu leicht, die Menschen bei Geldangelegenheiten irrezuführen, sowohl den Einzelnen als auch die Masse, denn sobald es ums Geld geht, haben die meisten von uns in der Regel keine Ahnung, was wir da gerade tun. Die logische Folge ist, dass sich die gesamte westliche Welt bei der Schuldenfrage selbst in die Irre geführt hat, und der einzige Weg, der uns aus dieser Situation wieder herausführt, geht unablässig steil bergauf.
    Es gibt besonders ein Land, in dem die Trennung persönlicher, politischer und ökonomischer Angelegenheiten eine akute Bedrohung für die weltweite Wirtschaftsordnung darstellt,und das ist Deutschland. Wirtschaftswissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von »Ungleichgewichten auf makroökonomischer Ebene« und meinen damit die Tatsache, dass die deutschen Interessen nicht mit denen der Griechen, Iren oder Spanier in Einklang zu bringen sind. Seit der Schaffung des Euroraums im Jahr 1999 haben sich enorme Missverhältnisse innerhalb seiner Mitgliedstaaten angehäuft, wobei insbesondere Deutschland permanent einen großen Handelsbilanzüberschuss aufwies und die »peripheren«, hauptsächlich im Süden Europas gelegenen Länder einen immer größer werdenden Berg an privaten und öffentlichen Schulden anhäuften. Es leuchtet ein, oder das sollte es zumindest, dass diese Situation nicht ewig so weitergehen kann. Das Problem ist nur, dass man in Deutschland allem Anschein nach nicht geneigt ist, weniger deutsch zu sein – was heißen soll, sich höhere Gehälter auszubezahlen oder mehr zu konsumieren und mehr zu importieren. Genauso wenig scheint man dort gewillt, den Südeuropäern unaufhörlich aus der Patsche zu helfen. Um es mit den Worten von Michael Lewis zu sagen: »Jeder Deutsche weiß im Zusammenhang mit dem Euro über mindestens eine Tatsache Bescheid, nämlich darüber, dass man den Menschen, bevor sie sich bereit erklärten, die Deutsche Mark aufzugeben, ausdrücklich versprochen hat, es würde nie so weitkommen, dass sie Hilfszahlungen für andere Länder leisten müssten.« Dieses Versprechen ist längst gebrochen worden und es sieht so aus, als würde das noch öfter geschehen, auch wenn man dabei nicht vergessen darf, dass diese »Bailouts« im Endeffekt nur Kredite sind, die im Prinzip wieder zurückgezahlt werden müssen.
    Unglücklicherweise sind diese Bailouts erst der Anfang dessen, was nötig ist, um den Euro zu stabilisieren. Während des Euro-Sondergipfels vom 27. Oktober 2011 wurden die ersten drei Schritte auf diesem Weg beschlossen: ein Schuldenerlass über 50 Prozent der griechischen Staatsanleihen; eine Rekapitalisierung der europäischen Banken um den Betrag von 106 Milliarden Euro und eine Ausweitung des EFSF-Rettungsschirms. Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft wird es sich nicht mehr umgehen lassen, die europäischen Schulden in der einen oder anderen Form zu föderalisieren. Die nächstliegende Methode wäre die Schaffung von Eurobonds, damit die Regierungen länderübergreifend Geld aufnehmen können, mit einer vom gesamten Kontinent geleisteten Garantie als Sicherheit. Daraus ergäben sich zahlreiche weitere Konsequenzen, zu denen nicht zuletzt die Schaffung eines europaweiten Schatzamtes gehören müsste, wie es auch schon George Soros angeregt hat. Das wiederum würde ein europäisches Finanzministerium erforderlich machen, das auch sicherlich die Befugnis haben müsste, in irgendeiner Form Steuern einzutreiben.
    Wenn man das jedoch den Deutschen erläutert, dann hören sie aus der Sache nur heraus, dass man von ihnen verlangt, die Schulden anderer Länder zu bezahlen – und die schmerzliche Wahrheit ist: Ja, das werden sie tatsächlich tun müssen. Die einzige Art, wie man ökonomische Zwänge und politische Anforderungen unter einen Hut bringen kann, ist
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