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Tollkirsche (Gay Short Story) (German Edition)

Tollkirsche (Gay Short Story) (German Edition)

Titel: Tollkirsche (Gay Short Story) (German Edition)
Autoren: Carol Grayson
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* * *  
    Freitagnachmittag. Sommer. Gute Laune. Jan Schermbeek hatte sich bereits den ganzen Tag auf den Feierabend gefreut. Seine Arbeit an den Docks war für heute beendet. Dieses Wochenende brauchte er auch keinen Schichtdienst mehr zu schieben. Also konnte er es sich erlauben, mal wieder auf die Rolle zu gehen. Rolle, das hieß hier in Hamburg Reeperbahn.
    Ein paar von seinen Kumpels hatten ihn sogar auf eine gemeinsame Tour eingeladen, doch konnten auch nicht wissen, welche Art von Lokalen er bevorzugte. Nicht, dass er sich seiner Neigung wegen schämte, doch ein Dockarbeiter musste in den Augen der Kollegen eben ein ganzer Kerl sein. Morgens die Bildzeitung lesen, Fachgespräche über die nackten Weiber darin führen, blöde Witze reißen und sich ansonsten für Motorenleistungen, Schmieröl und Fußball interessieren. In der Mittagspause Bier und Butterbrote. Wie er das hasste! 
    Jan war da anders, doch das wusste niemand aus seiner Familie oder in seiner Firma. Hätte bei seinem Aussehen auch niemand vermutet. Zum Schein beteiligte er sich jeden Tag an den derben Sprüchen, aber nur, weil er sonst dem Spott und Hohn der Kollegen ausgesetzt wäre und vielleicht sogar seinen Job verloren hätte. Hamburg war tolerant, aber leider nicht jeder Bewohner in Hamburg. In letzter Zeit hatte er oft darüber nachgedacht, ob Stefan es vielleicht richtig gemacht hatte und von hier fortgezogen war, genauer gesagt nach München. Dort würde Jan bestimmt auch was besseres finden als hier, hatte er gemeint und ihn gebeten, mit nach München zu kommen. Damals hatte er abgelehnt. Damals war vor drei Monaten gewesen.
    Jan seufzte bei dem Gedanken an seinen attraktiven Ex, als er sich auszog, um eine Dusche zu nehmen. Stefan wäre jetzt über ihn hergefallen. 
    Danach stopfte er den dreckigen Overall in die Waschmaschine. Anschließend verstaute er seine Einkäufe für das Wochenende im Kühlschrank. Seine Junggesellenbude aufräumen konnte er morgen noch. Schnell noch ein Fertiggericht in die Mikrowelle schieben und auf seinem Laptop seine Emails checken. 
    Endlich begann er, sich stadtfein zu machen, wie seine Mutter früher immer gesagt hatte, Gott hab sie selig. Er war ein Einzelkind gewesen. Ob sie über seine Neigung Bescheid gewusst hatte? Geahnt haben vielleicht. Keine Ahnung. Jan schüttelte die düsteren Gedanken ab und betrachtete sich im Spiegel. 
    Da, wo ich jetzt hingehe, würden meine Kumpels mich nie vermuten.  Er lächelte sein Spiegelbild an. Noch ein wenig Gel in die Haare, das war´s dann für heute. Mit Anfang Dreißig sah er verdammt gut aus. Ein echter blonder Hans Albers Typ, nur kräftiger. Hamburger Jong, wie Mutter immer gesagt hatte. Die hatte sich immer eine Schwiegertochter und Enkel gewünscht. Seinen Vater hatte Jan nie kennen gelernt, der war schon früh abgehauen.   
    Vielleicht hab ich das ja von ihm. Soll ja viele Schwule geben, die es mal mit einer Frau probieren, bevor sie merken, dass sie dafür nicht geschaffen sind,  dachte er. Ja, er hatte es auch schon mal mit einer Frau probiert, allein seiner Mutter zuliebe, doch das hatte ihm nichts gegeben. Schließlich hatte er sich zum ersten Mal beziehungsmäßig auf einen Mann eingelassen. Stefan. Auch das hatte nicht geklappt - außer natürlich im Bett.   
    Seit er mit Stefan auseinander war, hatte Jan sich mit One-Night-Stands begnügt. Stefan war Vergangenheit. Er musste darüber hinweg kommen, dass ein langjähriger Freund beruflich in eine andere Stadt gezogen war. Job ging vor. Stefan war sechs Jahre jünger und immer schon ein Karrieretyp gewesen. Schlank, sportlich, Jurastudent, ein Mann, den sich jede Frau als Schwiegersohn wünscht. Jans Mutter mal ausgenommen. Obwohl Stefan behauptet hatte, ihn - Jan - zu lieben, war er gegangen. Nach Süddeutschland, ans Ende der Welt. Hatte noch ein paar Mal eine Email oder eine SMS geschickt. Dann nichts mehr. Irgendwo musste noch ein Karton mit Stefans persönlichen Sachen stehen, die er versprochen hatte, irgendwann mal abzuholen? Jan schnaubte verächtlich. 
    Schluss jetzt mit den trüben Gedanken!  Reiß dich am Riemen, Alter, und ab auf die Piste!  Ein lauer Sommerabend und die vertrauten Geräusche der Großstadt empfingen ihn, als er zu seinem Wagen ging. Je näher er seinem Club kam, desto mehr verließ ihn sein Selbstbewusstsein.  
    Jan hoffte, an diesem Abend im  Shiva´s Secret  einen ganz bestimmten Mann wiederzusehen. Ein großer Regenbogen aus Neonröhren prangte
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