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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
Autoren: John Lanchester
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ausstatten müssen. Besonders deutlich wurde das nach dem Crash von 2008. Die Regierungen schufen zwar im Jahr 2010 den besagten EFSF, einen Rettungsschirm über 750 Milliarden S50 de Euro – wobei es sich im Grunde genommen um einen Bailout-Fonds handelt –, aber von einer Fiskalunion und von politischen Strukturen, die den finanziellen Strukturen entsprechen, ist man noch weit entfernt. Die Schaffung von Eurobonds, oder zumindest von Schuldverschreibungspaketen, die von der gesamten Eurozone gedeckt werden, wäre in diesem Zusammenhang ein wichtiges Signal. Das würde weniger wie ein Kredit der starken europäischen Volkswirtschaften an die schwachen aussehen (und es auch nicht sein), und es wäre darüber hinaus ein erster – und bei Bedarf leicht zurückzunehmender – Schritt in Richtung einer wie auch immer gearteten Form von Fiskalunion.
    Und was die Krisenplanung anbetrifft: Nun, wir sind im Begriff, das herauszufinden. Zweifellos wird man sich ausführlich mit der Möglichkeit eines Eurobankrotts auseinandergesetzthaben – und damit, wie man in einem solchen Fall die Folgen eindämmen und die Währung neu strukturieren oder eine Umschuldung vornehmen könnte. Zweifellos? Und falls ein Land gezwungen wäre, die Eurozone zu verlassen, weil es einfach seine Schulden nicht mehr bezahlen kann, wie würde das dann funktionieren? Eine solche Situation kann ein Land einfach nicht im Voraus bekanntgeben. Falls Griechenland nun verkünden würde, es steige aus dem Euro aus, würde jeder einzelne erwachsene Grieche zur nächsten Bank rennen, gehen oder kriechen und sein gesamtes Geld abheben – denn wenn die Menschen ihre Euros auf der Bank liegen ließen, dann würden diese in Drachmen umgewandelt, die nur etwa halb so viel wert sind. Der massenhafte Geldabzug würde dazu führen, dass alle Banken Griechenlands an ein und demselben Tag Pleitegingen. Die Regierung müsste als ersten Schritt auf dem Weg zu einer neuen Währung also einen »Bankfeiertag« erklären, das heißt, sie müsste alle Bankkonten einfrieren. Aber was wäre mit all den Schulden in Übersee, die immer noch in Euro denominiert sind? Die wären nun sofort doppelt so hoch, denn sie müssten in der abgewerteten Drachmen-Währung zurückgezahlt werden. Die Regierung hätte womöglich also gar keine andere Wahl, als all ihre Schulden für null und nichtig zu erklären.
    Das mag wie der sichere Weg in die Katastrophe klingen. Aber Argentinien geriet 2002 in Zahlungsverzug, fror das gesamte Bankwesen ein, erklärte seine Auslandsschulden für hinfällig und kappte seine Verbindung zum Weltwährungsfonds und dessen Hilfsgeldern – und seitdem ist es die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft Südamerikas; ein Kontinent, der sich auch insgesamt gesehen nicht gerade über fehlendes Wirtschaftswachstum beklagen kann. Aber diese Strategie ist extrem riskant. Wenn ein Land sie nachahmen wollte, müsste es sehr viel Planungsarbeit in die Sache stecken, vor Ort wie auch in den ausländischen Staatskanzleien.
    Allmählich sieht es so aus, als sei das günstigste Modell für den Verlauf der Dinge nach der Krise nur noch Makulatur.In dieser Version hätten sich die Regierungen irgendwie durchgewurstelt, bis die Wirtschaft wieder zu wachsen begonnen hätte; sie hätten auf dem Weg dorthin die öffentlichen Ausgaben gekürzt, wären dann in den Genuss der schon erwähnten Konjunkturerholung gekommen, die meistens einer Rezession auf dem Fuß folgt, und schließlich hätten alle Industriestaaten mit ihrer Party weitermachen können, so wie sie es im Jahr 2006 taten. Zwar klaffte auch bei diesem Modell ein großes Loch in der Mitte, dort, wo eigentlich eine Reform des Finanzsektors hätte stattfinden sollen, aber das ist ohnehin egal, denn es sieht nun so aus, als würde es gar nicht erst in Kraft treten. Die nächste Version der Ereignisse – diejenige, auf die wir im Augenblick zusteuern – sollte man vielleicht weniger das zweitbeste Szenario als vielmehr das zweitgeringste Übel nennen. Sie orientiert sich an dem, was in anderen Teilen der Welt während der letzten Jahrzehnte geschehen ist, von La Sn ibelteinamerika über Russland bis hin zu Südostasien. In all diesen Gebieten gab es Schuldenkrisen und darauffolgende wirtschaftliche Zusammenbrüche. Und überall haben sich die betroffenen Volkswirtschaften wieder erholt, wenn auch erst nach etwa zehn sehr harten Jahren allgemeiner ökonomischer Entbehrungen. In diesem Modell zahlt man die Schulden ganz
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