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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
Autoren: John Lanchester
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Zwischenzeit feststellen mussten –, denn je größer die Probleme der europäischen Banken waren, desto unzureichender war ihr Versicherungsschutz, desto gefährlicher ihre Leverage Ratio und desto bedrohlicher daher auch das Risiko, das uns allen daraus erwuchs.
    Doch auch als sich die Krise immer mehr verschärfte, war es ungemein schwierig, die europäischen Staatschefs davon zu überzeugen, dass sie keinesfalls nur die angelsächsische Welt betraf. Weil sie sich einredeten, das Problem sei allein fiskalpolitischer Natur, haben sie es versäumt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
    Brown hatte recht. Wie sehr, das wurde erst später, am 16. August 2011 deutlich, am selben Tag, an dem auch sein Artikel erschien. Mittlerweile waren Investoren, die der Entwicklung von Bankaktien skeptisch gegenüberstanden, zu Leerverkäufen übergegangen. »Leerverkäufe« sind ein weiterer Punkt auf der langen Liste von Finanzpraktiken, die einem Laien als vollkommen skurril erscheinen, für die Insider jedoch Routineerscheinungen der modernen Märkte sind. Ein Leerverkäufer leiht sich Aktien und verkauft diese dann weiter, mit der Absicht, sie später zu einem günstigeren Preis zurückzukaufen, um sie dann dem Leihgeber zurückzugeben und den dabei entstandenen Profit einzustreichen. Sagen wir, um mal ein rein hypothetisches Beispiel zu geben, Sie wären zu der Überzeugung gelangt, das S ge, um ss Rupert Murdochs Firma News Corporation überbewertet ist, weil – ach, keine Ahnung, ich erfinde einfach maletwas – weil der gesamte Führungsstab im Begriff steht, ins Gefängnis zu wandern. Der gegenwärtige Preis einer Aktie ist 15,80 Dollar und Sie denken, dass er auf 10 Dollar fallen wird. Also suchen Sie sich einen bereitwilligen Leihgeber, von dem Sie sich 1 Million Aktien borgen, mit der Vereinbarung,sie zu einem festgesetzten Datum zurückzugeben. Dann verkaufen Sie die Aktien. Man beachte, dass dieser Verkauf keineswegs neutral ist: Indem Sie den Markt mit 15,8 Millionen Dollar an News-Corp-Aktien fluten, leisten Sie einen aktiven Beitrag dazu, dass die Kurse fallen.
    Kritiker der Leerverkäufe weisen gern darauf hin, dass dies einer Form von Marktmanipulation gleichkommt – und die ist illegal. Ein Leerverkäufer schließt nicht einfach nur auf eine bestimmte Entwicklung eine Wette ab, er (und für gewöhnlich ist es ein Er) versucht, diese Entwicklung aktiv herbeizuführen. Wie dem auch sei, es vergehen ein paar Monate, die News-Corp-Manager werden zahlreicher Vergehen überführt, die Aktienkurse purzeln auf 10 Dollar herab, Sie kaufen die 1 Million Aktien zurückdas nennt man »Eindecken« des Leerverkaufs – und geben diese dann wieder an den Leihgeber zurück. 25 Sie haben nun von der Differenz zwischen 15,8 Millionen Dollar, also dem Betrag, den Sie eingenommen haben, als Sie die Aktien verkauften, und 10 Millionen Dollar, dem Betrag, den es Sie gekostet hat, sie zurückzukaufen, profitiert: 5,8 Millionen Dollar. Gute »Arbeit«, kann man da nur sagen, falls es Ihnen gelingen sollte, einen solchen Deal abzuschließen.
    Ein großer Teil der Leerverkäufe wird von Hedgefonds getätigt. Im Fall der Eurokrise nahmen diese mit den Leerverkäufen ganz bestimmte Banken ins Visier, insbesondere solche aus Europa, die ihrer Ansicht nach unterkapitalisiert waren, wie schon von Gordon Brown oben dargelegt. (Nur weil Hedgefondsmanager böse Finanzhaie sind, muss das nicht heißen, dass sie im Wesentlichen falsch liegen.) Die europäischen Staaten reagierten in altbekannter Manier, nämlich indem sie ein zeitweiliges Verbot von Leerverkäufen in Frankreich, Belgien, Italien und Spanien aussprachen – ein nicht gerade subtiler Hinweis auf die Standorte der Banken, die ins Kreuzfeuer geraten waren. Es hat die Märkte noch nie besonders beeindruckt,wenn man sie als Spielverderber zu brandmarken versucht, und die missliche Lage der Banken verschlimmerte sich weiter.
    Die Daten der Europäischen Zentralbank geben die Geschichte noch am besten wieder: In nur einer Woche stellte sie 22 Milliarden Euro an Rettungsgeldern zur Verfügung. Die Hilfe für eine einzige Bank (die hier ungenannt bleiben soll) belief sich auf 500 Millionen Dollar. Die EZB kann Kredite einer solchen Größenordnung nicht unbegrenzt vergeben, aber die ungeheuren Summen waren deshalb nötig geworden, weil andere Banken den ins Schlingern geratenen Instituten kein Geld mehr leihen wollten – und wenn Banken Angst haben, anderen Banken Geld zu leihen, dann ist
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