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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Autoren: Theodor Fontane
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Stelle an, an der das Boot
    der Königin in jener Nacht gelegen hatte, wir schrit-
    ten über den Hof hin, langsam, als suchten wir noch
    die Fußspuren in dem hochaufgeschossenen Grase,
    und lehnten uns dann über die Brüstung, an welcher
    die alte Lady Douglas gestanden und die Jagd der
    beiden Boote, des flüchtigen und des nachsetzenden,
    verfolgt hatte. Dann umfuhren wir die Insel und
    lenkten unser Boot nach Kinross zurück, aber das
    Auge mochte sich nicht trennen von der Insel, auf
    deren Trümmergrau die Nachmittagssonne und eine
    wehmütig-unnennbare Stille lag.
    Nun griffen die Ruder rasch ein, die Insel wurd ein
    Streifen, endlich schwand sie ganz, und nur als ein
    Gebilde der Einbildungskraft stand eine Zeitlang noch
    der Rundturm vor uns auf dem Wasser, bis plötzlich
    unsre Phantasie weiter in ihre Erinnerungen zurück-
    griff und ältere Bilder vor die Bilder dieser Stunde
    schob. Es waren Erinnerungen aus der Heimat, ein
    unvergessener Tag.
    Auch eine Wasserfläche war es; aber nicht Weiden-
    gestrüpp faßte das Ufer ein, sondern ein Park und
    ein Laubholzwald nahmen den See in ihren Arm. Im
    Flachboot stießen wir ab, und sooft wir das Schilf am

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    Ufer streiften, klang es, wie wenn eine Hand über
    knisternde Seide fährt. Zwei Schwestern saßen mir
    gegenüber. Die ältere streckte ihre Hand in das küh-
    le, klare Wasser des Sees, und außer dem dumpfen
    Schlag des Ruders vernahm ich nichts als jenes leise
    Geräusch, womit die Wellchen zwischen den Fingern
    der weißen Hand hindurchplätscherten. Nun glitt das
    Boot durch Teichrosen hin, deren lange Stengel wir
    (so klar war das Wasser) aus dem Grunde des Sees
    aufsteigen sahen; dann lenkten wir das Boot bis an
    den Schilfgürtel und unter die weit überhängenden
    Zweige des Parkes zurück. Endlich legten wir an, wo
    die Wassertreppe ans Ufer führt, und ein Schloß
    stieg auf mit Flügeln und Türmen, mit Hof und Trep-
    pe und mit einem Säulengange, der Balustraden und
    Marmorbilder trug. Dieser Hof und dieser Säulen-
    gang, die Zeugen wie vieler Lust, wie vielen Glanzes
    waren sie gewesen? Hier über diesen Hof hin hatte
    die Geige Grauns geklungen, wenn sie das Flöten-
    spiel des prinzlichen Freundes begleitete; hier waren
    Le Gaillard und Le Constant, die ersten Ritter des
    Bayard-Ordens, auf und ab geschritten; hier waren
    in buntem Spiel, in heiterer Ironie, fingierte Ambas-
    saden aus aller Herren Länder erschienen, und von
    hier aus endlich waren die heiter Spielenden hinaus-
    gezogen und hatten sich bewährt im Ernst des
    Kampfs und auf den Höhen des Lebens. Hinter dem
    Säulengange glitzerten die gelben Schloßwände in
    aller Helle des Tags, kein romantischer Farbenton
    mischte sich ein, aber Schloß und Turm, wohin das
    Auge fiel, alles trug den breiten historischen Stem-
    pel. Von der andern Seite des Sees her grüßte der

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    Obelisk, der die Geschichte des Siebenjährigen Krie-
    ges im Lapidarstil trägt.
    So war das Bild des Rheinsberger Schlosses , das, wie eine Fata Morgana, über den Leven-See hinzog, und
    ehe noch unser Boot auf den Sand des Ufers lief, trat
    die Frage an mich heran: So schön dies Bild war, das
    der Leven-See mit seiner Insel und seinem Douglas-
    Schloß vor dir entrollte, war jener Tag minder schön,
    als du im Flachboot über den Rheinsberger See
    fuhrst, die Schöpfungen und die Erinnerungen einer
    großen Zeit um dich her? Und ich antwortete: nein.
    Die Jahre, die seit jenem Tag am Leven-See vergan-
    gen sind, haben mich in die Heimat zurückgeführt,
    und die Entschlüsse von damals blieben unverges-
    sen. Ich bin die Mark durchzogen und habe sie rei-
    cher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte. Jeder
    Fußbreit Erde belebte sich und gab Gestalten heraus,
    und wenn meine Schilderungen unbefriedigt lassen,
    so werd ich der Entschuldigung entbehren müssen,
    daß es eine Armut war, die ich aufzuputzen oder zu
    vergolden hatte. Umgekehrt, ein Reichtum ist mir
    entgegengetreten, dem gegenüber ich das bestimm-
    te Gefühl habe, seiner niemals auch nur annähernd
    Herr werden zu können; denn das immerhin Um-
    fangreiche, das ich in nachstehendem biete, ist auf
    im ganzen genommen wenig Meilen eingesammelt
    worden: am Ruppiner See hin und vor den Toren
    Berlins. Und sorglos hab ich es gesammelt, nicht wie
    einer, der mit der Sichel zur Ernte geht, sondern wie
    ein Spaziergänger, der einzelne Ähren aus dem rei-
    chen Felde zieht.

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    Es ist ein Buntes, Mannigfaches, das ich
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