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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Autoren: Theodor Fontane
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der Familie von Woldeck;
    jetzt ist es in andere Hände übergegangen. Der letz-
    te von Woldeck, der dies Erbe seiner Väter innehat-
    te, war ein Lebemann und passionierter Tourist. Sei-
    ne Exzentrizitäten hatten ihn in der Umgegend zu
    einer volkstümlichen Figur gemacht; er hieß kurzweg
    »der Seebaron«. Das Wort war gut gewählt. Er hatte
    mit den alten »Seekönigen« den Wanderzug und die
    Abenteuer gemein.

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    Karwe gehört den Knesebecks, Wustrau dagegen ist
    berühmt geworden als Wohnsitz des alten Zieten .
    Sein Sohn, der letzte Zieten aus der Linie Wustrau,
    starb hier 1854 in hohem Alter. Es gibt noch Zietens
    aus andern Linien, und überall, wo nachstehend vom
    »letzten Zieten« gesprochen wird, geschieht es in
    dem Sinne von: der letzte Zieten von Wustrau .
    Wustrau, wie viele märkische Besitzungen, bestand
    bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts aus vier Rit-
    tergütern, wovon zwei dem General von Dossow,
    eins den Zietens und eins den Rohrs1) gehörte.
    Wann die Zietens in den teilweisen Besitz von Wust-
    rau gelangten, ist nicht mehr sicher festzustellen.
    Ebensowenig kennt man das Stammgut der Familie.
    In der Mark Brandenburg befinden sich neun Ort-
    schaften, die den Namen Zieten, wenn auch in ab-
    weichender Schreibart, führen. Als die Hohenzollern
    ins Land kamen, lagen die meisten Besitzungen die-
    ser Familie bereits in der Grafschaft Ruppin. Hans
    von Zieten auf Wildberg, das damals ein fester und
    reicher Burgflecken war, war Geschworener Rat beim
    letzten Grafen von Ruppin und begleitete diesen auf
    den Reichstag zu Worms. Die Wildberger Zieten be-
    saßen Langen und Kränzlin; andere Zweige der Fa-
    milie hatten Lögow und Buskow inne und einen Teil
    von Metzelthin. Die Wustrauer Zieten, scheint es,
    waren nicht reich; sie litten unter den Nachwehen
    des Dreißigjährigen Krieges und der Schwedenzeit.
    Der Vater Hans Joachims lebte denn auch in noch
    sehr beschränkten Verhältnissen. Erst Hans Joachim
    selbst verstand sich auf Pflug und Wirtschaft fast so

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    gut wie auf Krieg und Säbel und machte 1766 durch
    Ankauf der andern Anteile ganz Wustrau zu einem Zietenschen Besitztum. Es blieb bei seinem Sohne,
    dem letzten Zieten, bis 1854. Dieser ernannte in
    seinem Testamente einen Schwerin zum Erben. Daß
    dieser der nächste Verwandte war, wurde vielleicht
    noch von der Vorstellung überwogen, daß nur ein
    Schwerin würdig sei, an die Stelle eines Zieten zu
    treten. Albert Julius von Schwerin, der jetzige Besit-
    zer von Wustrau, ward 1859 unter dem Namen von
    Zieten-Schwerin in den Grafenstand erhoben.
    Wustrau liegt an der Südspitze des Sees. Der Boden
    ist fruchtbar, und wo die Fruchtbarkeit aufhört, be-
    ginnt das Wustrausche Loch, eine Torfgegend, die an
    Ergiebigkeit mit den Linumer Gräbereien wetteifert.
    Das eigentliche Dorf, saubere, von Wohlstand zeu-
    gende Bauerhäuser, liegt etwas zurückgezogen vom
    See; zwischen Dorf und See aber breitet sich der
    Park aus, dessen Baumgruppen von dem Dache des
    etwas hoch gelegenen Herrenhauses überragt wer-
    den. Dieses letztere gleicht auf ein Haar den adligen
    Wohnhäusern, wie sie während der zweiten Hälfte
    des vorigen Jahrhunderts in märkischen Städten und
    Dörfern gebaut wurden. Unser Pariser Platz zeigt zu
    beiden Seiten noch ein paar Musterstücke dieser
    Bauart. Erdgeschoß und Beletage, ein hohes Dach,
    ein Blitzableiter, zehn Fenster Front, eine Rampe,
    das ganze gelb getüncht und ein Wappen oder Na-
    menszug als einziges Ornament. So ist auch das alte
    Herrenhaus der Zieten, das freilich seinerseits eine
    reizende Lage voraus hat. Vorder- und Hinterfront
    geben gleich anziehende Bilder. Jene gestattet land-

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    einwärts einen Blick auf Dorf, Kirche und Kirchhof,
    diese hat die Aussicht auf den See.
    Wir kommen in einem Boot über den See gefahren,
    legen an einer Wasserbrücke an und springen ans
    Ufer. Ein kurzer Weg, an Parkgrün und blühenden
    Linden vorbei, führt uns an den Eingang des Hauses.
    Der Flur ist durch eine Glaswand in zwei Teile geteilt, von denen der eine, der mit Bildern und Stichen be-hängt ist (darunter der bekannte Kupferstich Chodo-
    wieckis: Zieten sitzend vor seinem König), als Emp-
    fangshalle dient. Der andere Teil ist Treppenhaus.
    Wir steigen die eichene, altmodisch-bequeme Treppe
    hinauf und treten oben in eine nach vornhin gelege-
    ne Zimmerreihe ein. Es sind fünf Räume; in der Mitte
    ein großer vier- oder fünffenstriger Saal, zu beiden
    Seiten je zwei kleinere
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