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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Autoren: Theodor Fontane
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Zimmer. Die kleineren Zim-
    mer sind durchaus schmucklos, nur über den Türen
    befinden sich Ölbilder, Kopien nach niederländischen
    Meistern. Das ist alles. Das Zimmer rechts vom Saal
    ist das Sterbezimmer des letzten Wustrauer Zieten.
    Der historische »alte Zieten« starb in Berlin, und
    zwar in einem jetzt umgebauten, dem Friedrich-
    Wilhelms-Gymnasium schräg gegenüber liegenden
    Hause der Kochstraße.
    Das Zimmer links vom Saal heißt das Königszimmer,
    seitdem Friedrich Wilhelm IV., etwa in der Mitte der
    vierziger Jahre, die Grafschaft Ruppin durchreiste
    und in Wustrau und Köpernitz (auf welch letzterem
    Gute damals noch die siebzigjährige Marquise

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    La Roche-Aymon lebte) einen längeren Besuch
    machte.
    Der große Saal ist die eigentliche Sehenswürdigkeit
    des Hauses. Alles erinnert hier an den Helden, der
    diese Stätte berühmt gemacht hat. Eine Kolossalvase
    zeigt auf ihrer Rückseite die Abbildung des auf dem
    Wilhelmsplatze stehenden Zieten-Denkmals, an den
    Wänden entlang aber gruppieren sich Portraits und
    Skulpturen der allermannigfachsten Art. Unter diesen
    bemerken wir zunächst zwei Büsten des »alten Zie-
    ten« selbst. Sie stehen in Wandnischen auf hohen
    Postamenten von einfacher, aber gefälliger Form. Die
    eine dieser Büsten, ein Gipsmodell vom berühmten
    Bildhauer Tassaert, ist ein großes Wertstück, durch-
    aus Portrait, das noch bei Lebzeiten des alten Zieten
    nach der Natur gefertigt wurde, die andere dagegen
    entstammt der neueren Zeit und erweist sich einfach
    als eine Marmorausführung des Tassaertschen Mo-
    dells. Die Arbeit dieses alten Meisters ist ganz vor-
    trefflich, vor allem von einer Lebenswahrheit, die den
    Schadowschen alten Zieten zu einer bloßen Tendenz-
    statue herabdrückt. Schadow hat nicht den Husaren-
    vater als Portrait, sondern das Husarentum als solches dargestellt. Von dem Moment ab, wo man den
    wirklichen alten Zieten (den Tassaertschen) gesehen hat, wird einem das mit einem Male klar. Dies über-geschlagene Bein, diese Hand am Kinn, als ob mal
    wieder ein lustiger Husarenstreich ersonnen und
    ausgeführt werden solle, das alles ist ganz im Cha-
    rakter des Husarentums, aber durchaus nicht im
    Charakter Zietens, der von Jugend auf etwas Erns-
    tes, Nüchternes und durchaus Schlichtes hatte. Er

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    hatte ein verwegenes Husaren herz , aber die Husaren manieren waren ihm fremd. Es bedarf wohl keiner besondren Hervorhebung, daß mit diesem allen kein
    Tadel gegen den Schadowschen Zieten ausgespro-
    chen sein soll, der – nach der Seite des Geistvollen
    hin – ganz unzweifelhafte Vorzüge hat, dessen viel-
    betonte realistische Auffassung aber mehr scheinbar als wirklich ist.
    Das Postament der Modellbüste zeigt sich bei nähe-
    rer Betrachtung als ein Schrein von weißlackiertem
    Holz; ein Schlüsselchen öffnet die kaum bemerkbare
    Tür desselben. In diesem einfachen Schrein befindet
    sich der Säbel2) des alten Zieten, nicht jener türki-
    sche, den ihm Friedrich II. nach dem Zweiten Schle-
    sischen Kriege zum Geschenk machte, sondern ein
    gewöhnlicher preußischer Husarensäbel. Er zog ihn
    während des ganzen Siebenjährigen Krieges nur
    einmal , und dies eine Mal zu seiner persönlichen Verteidigung. Am Tage vor der Schlacht von Torgau,
    2. November 1760, als er in Begleitung einer einzi-
    gen Ordonnanz auf Rekognoszierung ritt, sah er sich
    plötzlich von sechs österreichischen Husaren um-
    stellt. Er hieb sich im buchstäblichen Sinne durch
    und steckte den blutigen Säbel ruhig wieder in die
    Scheide. Nie sprach er von dieser Affaire. Die Blutfle-
    cke, ein rotbrauner Rost, sind noch deutlich auf der
    Klinge sichtbar.

    1. In dem schönen, höchst anmutig gelegenen
    Schloßgarten von Wustrau befindet sich bis

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    diesen Augenblick, und zwar nur wenige
    Schritte vom See entfernt, das ehemalig
    Rohrsche Herrenhaus, ein alter Fachwerkbau,
    der jetzt teils als Gärtnerwohnung, teils als
    Orangeriehaus dient. Das Gaus ist interes-
    sant, einmal dadurch, daß es uns zeigt, wie
    schlicht und anspruchslos der Landadel früher
    lebte, andrerseits durch die Ornamentierung,
    die Graf Zieten ebendiesem Hause gegeben
    hat. Als nämlich der Perleberger Dom im ers-
    ten Drittel dieses Jahrhunderts restauriert und
    der alte Schmuck desselben beseitigt wurde,
    kaufte Graf Zieten allerhand Glasmalereien
    und Holzschnitzwerk, namentlich Heiligenbil-
    der und Engelsfiguren, auf und begann mit
    Hülfe derselben die Façaden und Fenster des
    alten
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