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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Autoren: Theodor Fontane
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unabweisliches Wande-rungsbedürfnis, so gib es auf, für ein Billiges deine
    märkische Tour machen zu wollen. Eisenbahnen,
    wenn du »ins Land« willst, sind in den wenigsten
    Fällen nutzbar; also – Fuhrwerk. Fuhrwerk aber ist
    teuer. Man merkt dir bald an, daß du fort willst oder
    wohl gar fort mußt, und die märkische Art ist nicht
    so alles Kaufmännischen bar und bloß, daß sie dar-
    aus nicht Vorteil ziehen sollte. Wohlan denn, es kann
    dir passieren, daß du, um von Fürstenwalde nach
    Buckow oder von Buckow nach Werneuchen zu
    kommen, mehr zahlen mußt als für eine Fahrt nach
    Dresden hin und zurück. Nimmst du Anstoß an sol-
    chen Preisen und Ärgernissen – so bleibe zu Haus.
    Hast du nun aber alle diese Punkte reiflich erwogen,
    hast du, wie die Engländer sagen, »deine Seele fertig
    gemacht« und bist du zu dem Resultate gekommen:
    »Ich kann es wagen«, nun denn, so wag es getrost.
    Wag es getrost, und du wirst es nicht bereuen. Ei-
    gentümliche Freuden und Genüsse werden dich be-
    gleiten. Du wirst Entdeckungen machen, denn über-
    all, wohin du kommst, wirst du, vom Touristenstand-
    punkt aus, eintreten wie in »jungfräuliches Land«.
    Du wirst Klosterruinen begegnen, von deren Existenz
    höchstens die nächste Stadt eine leise Kenntnis hat-
    te; du wirst inmitten alter Dorfkirchen, deren zerbrö-
    ckelter Schindelturm nur auf Elend deutete, große
    Wandbilder oder in den treppenlosen Grüften reiche
    Kupfersärge mit Kruzifix und vergoldeten Wappen-
    schildern finden; du wirst Schlachtfelder überschrei-

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    ten, Wendenkirchhöfe, Heidengräber, von denen die
    Menschen nichts mehr wissen, und statt der Nach-
    schlagebuchs- und Allerweltsgeschichten werden
    Sagen und Legenden und hier und da selbst die
    Bruchstücke verklungener Lieder zu dir sprechen.
    Das Beste aber, dem du begegnen wirst, das werden
    die Menschen sein, vorausgesetzt, daß du dich dar-
    auf verstehst, das rechte Wort für den »gemeinen
    Mann« zu finden. Verschmähe nicht den Strohsack
    neben dem Kutscher, laß dir erzählen von ihm, von
    seinem Haus und Hof, von seiner Stadt oder seinem
    Dorf, von seiner Soldaten- oder seiner Wanderzeit,
    und sein Geplauder wird dich mit dem Zauber des
    Natürlichen und Lebendigen umspannen. Du wirst,
    wenn du heimkehrst, nichts Auswendiggelerntes ge-
    hört haben wie auf den großen Touren, wo alles sei-
    ne Taxe hat; der Mensch selber aber wird sich vor dir
    erschlossen haben. Und das bleibt doch immer das
    Beste.
    Berlin, im August 1864
    Th. F .
    Vorwort zur Volksausgabe
    Der erste Band der »Wanderungen« – dem die drei
    andern in rascher Reihenfolge folgen werden – er-
    scheint hier in einer Volksausgabe, die, wie dies
    schon bei den frühren Auflagen der Fall war, aber-
    mals eine nicht unbeträchtliche Erweiterung erfahren
    hat. Das Kapitel »Wilhelm Gentz«, in dem ich zu

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    meiner Freude viel Autobiographisches mitteilen oder
    doch benutzen konnte, ist neu, während das den
    Lebensgang von Alexander Gentz darstellende Kapi-
    tel »Gentzrode« einer zugleich die mannigfachsten
    Verhältnisse der Stadt wie der Grafschaft behandeln-
    den Umarbeitung unterzogen wurde. Ein weiterer
    Aufsatz, den ich mit Rücksicht auf die hervorragende
    Bedeutung des darin zu Schildernden: Geheimerat
    Hermann Wagener (»Kreuz-Zeitungs-Wagener«, ge-
    boren am 8. März 1815 im Pfarrhause zu Segeletz),
    diesem ersten Bande gerne noch hinzugefügt hätte,
    mußte mit Rücksicht auf den ohnehin überschritte-
    nen Raum zurückgestellt werden. Vielleicht daß sich
    später, wenn auch von andrer Hand, eine Einreihung
    ermöglicht.
    Berlin, 9. März 1892

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    Am Ruppiner See
    Wustrau

    Da liegen wir zwei beide
    bis zum Appell im Grab.

    Der Ruppiner See, der fast die Form eines halben
    Mondes hat, scheidet sich seinen Ufern nach in zwei
    sehr verschiedene Hälften. Die nördliche Hälfte ist
    sandig und unfruchtbar und, die freundlich gelege-
    nen Städte Alt- und Neu-Ruppin abgerechnet, ohne
    allen malerischen Reiz, die Südhälfte aber ist teils
    angebaut, teils bewaldet und seit alten Zeiten her
    von vier hübschen Dörfern eingefaßt. Das eine dieser
    Dörfer, Treskow, war bis vor kurzem ein altes Käm-
    mereigut der Stadt Ruppin; die drei andern: Gnewi-
    kow, Karwe und Wustrau, sind Rittergüter. Das ers-
    tere tritt aus dem Schilf- und Waldufer am deutlichs-
    ten hervor und ist mit seinem Kirchturm und seinen
    Bauerhäusern eine besondere Zierde des Sees. Es
    gehörte seit Jahrhunderten
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