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Märchen von den Grimms und mir (German Edition)

Märchen von den Grimms und mir (German Edition)

Titel: Märchen von den Grimms und mir (German Edition)
Autoren: Heiko Grießbach
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Das alte Mütterchen

    Es begab sich einmal, nicht heute, nicht gestern aber auch nicht länger als zweihundert Jahre her, da lebte in einer kleinen Stadt ein altes Mütterchen. Den Rücken von Arbeit gebeugt, das Haar dünn und grau, saß es all abends allein in der zu groß gewordenen Wohnung. Einsamkeit und Gram hielten das Herz des Mütterchens fest gepackt und ließen es schwer schlagen. Die alte Frau dachte jeden Tag darüber nach, wie sie erst den Mann, dann die beiden Kinder, nach und nach alle Verwandten und letztlich auch die Freunde verloren hatte. Alle waren sie gestorben, allein musste sie nun ihren Lebensabend verbringen. Niemand besuchte sie, redete oder lachte mit ihr. Das Mütterchen war der Trauer voll und fühlte sich ganz allein und verlassen. Es war so sehr in tiefstem Herzen traurig, und schwer wog der Verlust des Gatten und der beiden Söhne, dass es im Schmerz darüber Gott anklagte. Es klagte nicht laut und sprach mit niemandem darüber, aber es sprach im Innern stumm zu sich selbst.
So saß es still und in sich versunken, als es auf einmal zur Frühkirche läuten hörte. Die Alte wunderte sich, dass die ganze Nacht schon vorbei wäre, und sie diese also in Leid durchwacht hätte, zündete die Leuchte an und ging zur Kirche. Bei ihrer Ankunft war die Kirche erhellt, aber nicht, wie gewöhnlich, von Kerzen, sondern von einem dämmernden Licht. In der Kirche befanden sich eine Menge Menschen und alle Plätze waren besetzt. Als die alte Frau zu ihrem gewöhnlichen Sitz kam, war er auch nicht mehr ledig, sondern die ganze Bank gedrängt voll. Es wunderte sie gar sehr und wie sie die Leute ansah, so saßen lauter verstorbene Verwandte und Bekannte auf den Sitzen. Sie saßen da in ihren altmodischen Kleidern, mit blassem Angesicht. Sie sprachen auch nicht und sangen nicht, es ging aber ein leises Summen und Wehen durch die Kirche. Eine von ihnen stand auf, trat vor und sprach zu der Alten: "Dort, sieh nach dem Altar, da wirst du deine Söhne sehen."
Sie blickte hin und sah ihre beiden Kinder. Der eine hing am Galgen, der andere, alt, dünn, krank und mit langem filzigem Haar hatte die Hände um die Gitterstäbe seiner Zelle gelegt. Sie hörte: "Siehst du, so wäre es ihnen ergangen, wären sie am Leben geblieben und hätte sie Gott nicht als unschuldige Kinder zu sich genommen."
Das Mütterchen erschrak und hörte erneut eine Stimme. Eine andere Person sprach: "Sieh noch einmal hin, und du wirst deinen Mann sehen."
Sie tat, wie ihr geheißen und sah ihren geliebten Ehemann alt und siech. Krank lag er darnieder in seinem Bett und konnte sich weder rühren, noch essen.
Zitternd ging die Alte nach Haus und dankte Gott auf den Knien, dass er es besser mit ihr gemacht hatte, als sie hätte begreifen können; und am dritten Tag legte sie sich nieder und starb.

Und die Moral von der Geschicht',
lebe glücklich und gräm dich nicht!
۞

Frau Trude

    Es war einmal ein kleines Mädchen, eigensinnig und vorwitzig. Immer, wenn seine Eltern etwas sagten, hörte es nicht auf sie und gehorchte nicht. Ob Bitte, Verbot oder Gebot, nichts schien dem Mädchen wichtiger, als der eigene Willen. Stur und trotzig handelte es nur nach dem eigenen Gefallen und hielt jeder Strafe stand. Wie konnte es dergestalt auf Dauer gut gehen?
Sagten die Eltern: "Kind, nimm den Regenschirm mit, ab Mittag wird Regen herab fallen", lachte es nur. Klatschnass kam es dann von der Schule nach Hause und ward drei Tage krank im Bett.
Bekam es Geld mit zur Schule, um Brot für das Frühstück des nächsten Tages mitzubringen, kaufte es sich ein Eis und die erste Mahlzeit am Morgen fiel aus. So ging es tagein und tagaus und wurde nicht besser.
Eines Tages sagte das Mädchen zu seinen Eltern: "Ich habe gehört, in der Nachbarschaft wohnt eine Frau, ganz für sich allein. Ich habe so viel von der Frau Trude gehört, ich will einmal zu ihr hingehen. Die Leute sagen, es sehe so wunderlich bei ihr aus, sie erzählen, es seien so seltsame Dinge in ihrem Hause, da bin ich ganz neugierig geworden."
Die Eltern erschraken, denn sie kannten diese Frau. Sie verboten es ihrer Tochter streng und sagten: "Die Frau Trude ist eine böse Frau, die gottlose Dinge treibt, und wenn du zu ihr hingehst, so wirst du unser Kind nicht mehr sein."
Aber das Mädchen scherte sich nicht um das Verbot der Eltern und ging doch zu Frau Trude. Und als es zu ihr kam, fragte diese: "Warum bist du so bleich, mein Kind?"
"Ach", antwortete das Mädchen und zitterte am ganzen Leibe,
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