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56,3° Im Schatten

56,3° Im Schatten

Titel: 56,3° Im Schatten
Autoren: Manfred Rebhandl
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Siesta
     
     
    Der Biermösel liegt an diesem leidlich warmen Sommermorgen schon gut angefüllt und mit einem ordentlichen Blähbauch auf seiner Schwitzhütte am Gendarmerieposten in Aussee herüben und lässt einen sehr Ordentlichen fahren, dann noch einen, dann zwei, dann vier, dann zehn, dann hört er auf zu zählen.
    Er freut sich sehr über die ersten gewaltigen Ausstöße des neuen Tages, an die er sich mit klarem Kopf erinnern kann, während er sich gleichzeitig an die ungezählten Bumsis, die er während einer weiteren versoffenen Nacht in seiner Kammer drüben im Auerhahn in die Atmosphäre hinaufgeschickt hat, natürlich nicht mehr erinnern kann. Das ist halt der Nachteil beim unkontrollierten Saufen, ärgert er sich immer wieder über die Nachteile vom unkontrollierten Saufen, dass man am nächsten Tag immer nur den schweren Schädel erbt anstatt die erhoffte Lösung aller Probleme, und dass man sich an die schönen Dinge des Lebens leider überhaupt nicht mehr erinnern kann.
    „Ich mich aber schon!“, stöhnt sein kleiner fetter Knödel von einer Schwester dann immer, sobald sie erschlagen von der Wucht seiner nächtlichen Eruptionen zunächst aus den Federn herausfällt und dann weiter die Stufen herunter in die Gaststube, zerrupft wie ein Hendl, im Gesicht ganz weiß und die Hände ganz nass, die Augen verdreht und mit heraushängender Zunge. Und der Biermösel, ganz Buchhalter seiner wilden Zerstörungswut und stolzer Vielleister, fragt dann immer mit der gewissen neugierigen Unschuldsmine:
    „Wie viele?“
    „Dreitausendundfünf!“
    „In der ganzen Nacht?“, zieht es ihm vor Enttäuschung den Arsch zusammen, bevor ihn die Roswitha mit immer neuen Rekordzahlen doch wieder zu beruhigen vermag.
    „In der Stunde!“
    Erst dann kann der Biermösel zufrieden auf eine weitere versoffene Nacht zurückblicken, und erst dann freut er sich auf den vor ihm liegenden Tag.
    Der Biermösel zischt dann noch ein paar spritzige Weißbiere und schüttelt mit seiner Alkoholiker-Zitterhand die morgendliche Steifheit aus seinen müden Knochen, und mit der morgendlichen Steifheit streift er auch endlich die Handschuhe ab und wirft die Pudelhaube in die Ecke, ohne die er früher nie aus dem Haus gegangen ist, nicht einmal in den sogenannten Sommermonaten von Juli bis September. Stattdessen hat er mit jedem neuen Sommer, den er früher am Gendarmerieposten in Aussee herüben beim Fenster gestanden ist und deppert auf den See hinausgeschaut hat, immer nur den Wassermassen zuschauen dürfen, die zuerst als Dauerregen gegen sein Fenster geprasselt sind und sich dann unten im See gesammelt haben, wo sie schließlich als sommerliche Überschwemmung wieder über die Ufer getreten sind und die Einheimischen samt den Tagestouristen und Sommerfrischlern auf ewig in ihre Gummistiefel hineingezwungen haben. Und mit jeder neuen Überschwemmung hat er dann auch dem Verrinnen der Jahreszeiten und leider auch dem sinnlosen Verrinnen seiner wertvollen Lebenszeit zuschauen müssen, und das mit Fäustlingen an den Händen und einer Pudelhaube am depperten Schädel, mit der wattierten Unterhose um den knochigen Arsch herum und dem dicken Mantel um die müden Schultern. Und dabei ist der Biermösel in einer immer tieferen Verzweiflung und Einsamkeit festgefroren, aus der er sich erst jetzt zu befreien weiß, und hoppala, plus 34,2 ° im Schatten.
    Lieber großflächige Verbrennungen als Frostbeulen, lieber einen gewaltigen Sonnenstich als einen vom Schnee bedeckten Schädel, das wäre im Wesentlichen seine Meinung zum Sommer, die Zeit der eingefrorenen Ohrwascherl auch im Sommer ist jedenfalls endgültig vorbei.
    Nur aus der reinen Gnade heraus oder nur wegen ein paar zum Himmel geschickter Gebete von irgendwelchen Pfarrern und Bischöfen reißt in dieser Gegend aber natürlich keine Wolkendecke auf, damit sich der Biermösel endlich die Wildsau aus dem Wald herausschießen und sie im satten Abendrot über der selbst zubereiteten Kohle grillen kann, von alleine verziehen sich in diesen saftigen Breiten keine hartnäckigen Nebelschwaden und machen der glühenden Hitze Platz, da wird also einer ein bisserl nachhelfen müssen, damit sich die Erde endlich erwärmt, und zwar einer, der das entsprechende Talent dazu hat und auch den starken Willen mitbringt, und hoppala, kommt ihm schon wieder einer aus, du meine Güte!
    Während das depperte Knechtsvolk in dieser Gegend die Zumutungen des Sauwetters auch nach 2000 Jahren Lügengeschichten
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