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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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wüst unter dem hochgeschlagenen Visier blickend, auf trampelnden gemästeten Gäulen –, zwei deutsche Herren, die sich nicht abschütteln ließen, Rusdorf und Pawel, kurpfälzische Räte. Sprachen öfter heftig auf französisch den Lordkanzler an, der sie nach Belieben anhörte oder englische Worte hinwarf, die sie nicht verstanden.
    Digby verbat sich in Portsmouth den Anhang dieser beiden Herren, worauf Buckingham die Achseln zuckte: es ließe sich nichts machen gegen sie, ohne das Parlament zu erregen. Naserümpfend ließ sich der junge Graf von Bristol die beiden Pfälzer vorstellen; er und Buckingham zwinkerten sich lächelnd zu, als bei der Abfahrt unter Verbeugungen nach vielen Seiten die deutschen Räte das Schiff bestiegen.
    Vom Ostersonntag bis Dienstag reiste der Brite um Wien herum, Mauern und Basteien studierend, über Wälle karriolend, wieder in die waldversenkten Nachbardörfer eintauchend, nach Hernals hinein, über den Laurenzergrund, Altlerchenfeld, Nikolsdorf, den Rustschacher, die Schütt, die Taborstraße, wo die Juden hausten, Mariahilf. Während alle Kirchen vom Jubelgesang der Menschen erschollen über die Auferstehung des allerliebsten Herrn Jesu, die Türme vom Glockenschwung bebten, schlug sich Digby vom dicken Rotenturmtor zum Turm Im Elend, Schotten- und Jörgenturm und Sankt Marx durch. Und als er das Siechenhaus im Regen des Ostermontags passiert hatte, schickte er zwei Knechte zur Heinersbastei, verlangte für morgen beim Torschreiber Einlaß am Kärntnertor. Junge Burschen ritten langbebändert über die Felder, trieben die Pferde in den Bach. In der Nacht weckte ihn Feuerschein in seiner Herberge; da schwang man draußen brennende Besen, zog grünes Volk singend, Asche streuend ins Freie.
    Der geschwollene Lord ließ die zwanzig Mann pikenbewehrter Stadtgarde, die ihn am Kärntnertor erwarteten, bis Mittag stehen. In einer Sänfte kam er, warf seine Kalbsaugen nach den zierlichen Mädchen, den auf Stelzen spazierenden Fräulein, ließ halten, um einer Gruppe Minoriten kopfschüttelnd unter die Kapuzen zu schauen. Am Hohen Markt war Gedränge; ein Umzug wurde erwartet. Mit Flöten und Pauken hoch zu Roß ließ sich die Bäckerinnung erblicken, weißstrumpfig Meister und Gesellen, perlgrau die Beinkleider, blaue Jacken, silberne Schnallen an den Schuhen. Vom Salzgrieß waren sie aufgebrochen. Über einen bekränzten blutjungen Gesellen auf schneeweißem Pferde wurden unter Jubelrufen aus Fenstern, Balkons Blumen geschüttet; angestemmt an die Brust trug er den riesigen Türkenbecher, drei erschlagene Janitscharen, ziseliert in Silber, dazu drei Bäcker und das Heidenschußhaus mit der entdeckten klaffenden Mine, dem Ort ihres Triumphes. In einer verschlossenen Sänfte hinter dem Lord fuhr man die beiden giftigen Pfälzer. Rusdorf hatte sich in Nürnberg englische Lakaientracht verschafft; nur unter der Bedingung, sie tragen zu dürfen, war er mit Pawel nach Wien gedrungen. Sie ängstigten sich hinter ihren Vorhängen, kein Wort ließen sie im Gedränge verlauten.
    Als nach zwei Tagen der Abt Anton von Kremsmünster, Kammerpräsident, sie in seinem stillen Refektorium empfing, ein ehrerbietiger schlaffwangiger Herr, der überaus verschüchtert schien, wehmütig demütig um sich blickte, von Zeit zu Zeit entsetzt vor einer Motte zusammenfuhr und sich entschuldigend, fast weinend, sein Käppchen verlierend hinter ihr her durch das Zimmer rannte, vergeblich nach allen Seiten klatschend, schmerzvoll seinen Gästen die leeren roten Handteller zeigend, als er sie empfing, bat er, mit dem Abgesandten des Königs von England und den Beratern des pfälzischen Kurfürsten getrennt verhandeln zu dürfen. Die Verbeugung wurde steif beantwortet; die deutschen Herren blieben den Bescheid schuldig, warfen sich ratlose Blicke zu. Digby, ungeschlacht, wilder blonder Kinnbart, Fäuste in den Weichen, die beiden fixierend wie ein bekanntes absonderliches Tierpaar, machte eine demonstrierende Handbewegung: die Herren seien noch nicht so weit, sie würden wohl morgen antworten.
    In ihrem Quartier, von Digby aufgesucht und befragt, weigerten sie sich überhaupt zu antworten, würden sich erst beraten. Sie kämen selbständig für den Böhmerkönig und pfälzischen Kurfürsten, würden sich aber gewiß nicht trennen lassen in der Diskussion von England. Er fragte, den Reitstock wirbelnd, ob sie der Verhandlung ein Bein stellen wollten, ob er also warten solle, bis sie etwa Kuriere zu ihrem Herrn schickten.
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