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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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Fährmannshaus von heut ab. Der Kaiser wollte fliehen, er konnte ihn aus einer dunklen Not erretten, er war in seiner Gewalt, es konnte keiner dazwischenfahren. Jetzt.
    Um Paar drehte sich der Wald. Nur einen Moment wehrte er sich gegen den Gedanken. Im Augenblick aus dem Dickicht, auf den Pferden. Paar biß die Zähne zusammen, schwang die Peitsche: »Hoh!«
    Sturzäcker. Der Kaiser hing dumpf an seinem Tier, sah auf die Mähne, ab und zu auf den Horizont, bisweilen warf er antreibend die Zügel. Das Tier lief ebenmäßig neben Paars. Kein Klingeln der Meute mehr, kein Rufen Lachen der Herren. Meilenweite Grasfläche, links blauumdunstete Hügelreihen; wenn der Wind die Luft hochwarf, regten sich dahinter schwarzgrüne Baumkronen. Paar lechzte über den Kopf seines Tieres hinweg, sein ernstes Gesicht zitterte in vielen Bündelchen, seine geschlitzten weißgrünen Ärmel schwollen zu Glocken auf, die linke Hand mit den Zügeln nackt, erdig; zerrissen die hohe Spitzenmanschette des rechten Handschuhs. Die Pferde ruckten sprangen; in der ungeheuren Heide zappelten sie wie Schwimmer im Meer, arbeiteten, auf ab, die kleinen hüpfenden Tiere.
    In die anwiegende Luft stöhnte Paar, dunkel verzweifelt: »Mein Heiland, tu’ ich recht.« Er rief zur Seite: »Wir sind schon weit.« Es klang nicht, es konnte niemand gehört haben. Er rief: »Wir sind schon so weit.« Weg war es, zwanzig, fünfzig Schritt hinter ihnen. Hatte es jemand gehört. Der Schall am Munde weggeschnappt. Das Trappeln der Pferde ließ sich nicht hören, das Riemenzeug knarrte nicht; im raschen Takt Gießen Strömen des Blutes in den Ohren, Verdunkeln des Blicks.
    Der Kaiser hing auf seinem Schimmel. Geheimnisvoll erregt klang es herüber: »Wir sind schon weit, so weit.«
    »Graf Paar.« Der Schall am Munde weggeschnappt. »Paar, Hans, Hans.« Anwiegte der Wind, schwappte um Brust, Gesicht, schloß sich im Rücken zusammen. »Langsamer, Hans. Reit langsamer. Hörst du mich?«
    Der Kaiser. Er saß aufrechter, den Hut knautschte er vor sich am Sattel, die Linie geronnenen Blutes über der Nase. Paar riß die Zügel an. »Wo sind wir, Hans?«
    »Eine halbe Stunde noch.« Die Pferde liefen rascher. »Wohin führst du mich? Wo läuft der Keiler?« »Wir sind schon weit. Majestät werden sehen.« Paars Stimme jauchzte fast; seine Mienen wechselten zwischen Angst und Zärtlichkeit. »Da ist Rauch. Sie verbrennen Kraut auf dem Feld. Es ist verabredet. Da die Fahne.« Schroff fiel die Ebene, jäh klangen Rufe hinauf. Am Ufer eines weißblinkenden Flußlaufes weideten Viehherden, neben einem Fährmannshaus liefen Menschen, standen Wagen. Hellblau schwelten Rauchwolken in die Steppe herüber. Dem Grafen strahlten die Augen, er brüllte frenetisch herunter, winkte. Eine Wolkenwand stand schwarz jenseits des Wassers, dicke Tropfen fielen, die Gräser sprühten blitzten in der matten Sonne.
    »Gerettet. Es sind die Wagen. Unsere Wagen. Die Leute sind treu. Hier! Hooo–ah hooo–ah!« Der Kaiser spannte sich zusammen, sein Pferd schluckte, rückwärts gerissen das Maul aufsperrend, Luft, tanzte auf den Hinterbeinen. Paar, ihn überschießend, kehrte um, atemlos, entzückten Gesichts, atemlos atemlos: »Es sind die Wagen. Mögen mich Majestät enthaupten. Rettung. Wir sind gerettet.«
    Heiser rief der Kaiser, die Augen bis zur Weiße aufreißend, mit der rechten Hand auf die anrennenden Knechte mit Piken und Partisanen weisend: »Wer sind die? Was wollen die?« Paar armehebend: »Bleibt stehen. Bei den Wagen bleiben. Nicht hierher! Es sind ja unsere Leute.« Der Kaiser donnerte: »Hund, Bestie, hab’ ich dir befohlen, mich hierher zu bringen? Schalk du, ich metzle dich nieder auf der Stelle. Wohin hast du mich verschleppt? Was soll ich, was willst du mit mir?« Paar abgesprungen glutrot schweißübergossen hängte sich an den Hals des fremden Rappen: Der Kaiser solle kommen, der Kaiser solle sich nicht fürchten, es sei geschehen, er sei gerettet, es könne ihm nun nichts widerfahren; die Freiheit, wohin er befehle, die Leute sind zuverlässig, Gewänder liegen bereit.
    Und in Ferdinand, während er vor Wut berstend das Pferd herumwarf, den Mann beiseite schleuderte, die Sporen einsetzte, schwebte schon, die Flammen zu heulendem Entsetzen anblasend, der Gedanke: So steht es um mich, so weit bin ich; entlarvt.
    Die unendliche Steppe. Der dünne schräge Fadenregen zog hinter ihnen her, überrieselte sie, legte einen grauen Schleier vor sie. Paars Pferd drängte sich an
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