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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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näher ferner durch die Schwärze aus dem Brombeergewirr. Sie kämpften gegen das Dickicht, arbeiteten schweißgeblendet berstend vor Grimm und Lust gegen Äste Gestrüpp Tier. Rings war der wüste Keiler umfaßt, die Meute jauchzte im brechenden Unterholz. Da zappelten die Hunde unter dem Schimmel Ferdinands, der die Peitsche besinnungslos hob, die Krücke auf die Nase des stöhnenden Tieres schmetterte. Auf den Hinterbeinen stand es auf, drehte sich, zwei Schritt zurück, warf drehend umstürzend seinen Herrn zwischen die flüchtenden Hunde, sich selbst gegen einen schaukelnden Fichtenstamm, an den es mit den Füßen hieb, grimmig hilflos auf dem Rükken strampelnd wie ein Käfer. Heiß quietschte winselte der Rüde, dem von den fallenden Füßen des Reiters eine Flanke aufgerissen war.
    Paar, aus seiner Besessenheit geweckt durch das Keifen des Tieres, rückwärts blickend, sprang ab, taumelte nach hinten, stürmte: »Mansfeld, Molart«, die weiter preschten. Wie er die starren Asthaufen übersprang, stellte sich der Schimmel mit wütendem Werfen und Ruck auf die Knie, stand zitternd flankenschlagend aufrecht neben dem Kaiser, der mit blaurotem Nacken auf dem Nadellager bäuchlings hingestreckt war.
    Als Paar ihn umdrehte, richtete er sogleich den Oberkörper auf, sah blicklos, die Arme hinter sich auf den Boden stemmend, zwischen den Pferdebeinen hindurch. Wie eine Puppe wurde er von Paar gegen einen Stamm geschoben. Seine Sporen rissen Bahnen in den Boden, dabei flaute sein Gesicht ab, er faltete die Hände, senkte wie betrübt den nadelbeklebten Kopf, bewegte die Lippen. Jenseits des Dickichts klingelte hörbar die Jagd, das Wild war ins Feld entwischt. Mit Ächzen schob sich der Kaiser in die Knie. Dann stand da das Pferd, seine Schabracke, Graf Paar hielt seine Schultern, drängte die Jagdflasche an seine Lippen.
    Trübe wurden die Augen des Kaisers, er ließ sich hochheben, blickte jammervoll den Kammerherrn an, der an seinem Gurt nestelte, um das Schwert abzuschnallen. Lange standen sie so, die Lippen zitterten dem Fürsten, konvulsivisch zuckten seine Schultern: »Was ist geschehen. Was war das?« Er stammelte, schluckte Wein aus der Flasche, die ihm Paar in die Linke gepreßt hatte, sprudelte gedankenlos den Rest auf den Boden.
    »Was denn, Majestät?«
    »Paar, ich war bald hin. Es hat mich bald erwischt. Ich muß beten. Ich muß beten.« Er murmelte, rieb sich die verschmierten Hände, wimmerte verwirrt. »Es hat eines Zeichens bedurft. Ich habe es nicht erwartet.« Er stöhnte, saß auf einem Baumstrunk, wischte sich Blut von dem abgeschürften Scheitel, flüsterte mit steifen Blicken auf den Grafen, die Hände ballend: »Wir sollen uns nicht fürchten. Wir haben die Gewalt in Händen. Was hat der Graf Paar zu sagen?«
    »Nichts, Eure Majestät.«
    Er schmetterte sich die Faust gegen die Brust, streckte in steigender Erregung das sprühende zuckende Gesicht gegen den blassen Mann auf. »Nichts, Eure Majestät«, hauchte er. Stumm donnerte Ferdinand noch einmal gegen seine Brust, den Mund offen, schäumte, erhob sich taumlig, schüttelte den zurückweichenden Mann an den Schultern. »Sieh an. Willst du mich ausforschen. Wer hat dich geschickt?«
    »Majestät fielen vom Pferd, ich ritt dicht vorauf im Feld.«
    Hin stürzte Ferdinand mit Klagen auf die Knie: »Gestorben beinah, ohne Beichte wär’ ich gestorben. Das Leben verlassen, befleckt, unbefreit.«
    Paar biß sich auf die Lippen, in Scham und Ehrfurcht zog er den Kaiser hoch, faßte ihn unter den Arm, führte ihn, während er mit der Linken das Horn anhob, blies. Dem Herrn floß von der Stirn ein Blutstreifen über den Nasenrücken gegen den Mund. Als wäre nichts geschehen, folgte der Herr, schräg auf dem Hinterkopf den Hut mit der zerbrochenen Feder, blieb nach einer Weile stehen, horchte ins Gehölz, lächelte seinen Begleiter an, gefesselt von Betäubung, die ihm sanft über das Gehirn und den Hals strich: »Blas noch einmal. Schön bläst du.« Er ging pirschend voran, mit dem Schweinsschwert fuchtelnd, die Augen mondhaft weich, die Züge gleichgültig entspannt. Der gequälte Paar lief um ihn, die beiden Pferde lockte, zog er, plauderte, öffnete traurig Büsche vor dem Herrn.
    Ein plötzlicher Gedanke zuckte durch ihn: Wenn der Kaiser fliehen wollte – er wußte nicht, warum er es wollte, aber wenn –, dann jetzt. Die Jagd konnte nicht rasch zu Ende sein. Jetzt. Es war alles von ihm vorbereitet, die Wagen und Knechte standen bereit am
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