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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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seins, Paar drängte sich verlangend, Hände hinlangend an ihn, rief etwas dem Mann zu, der den Kopf auf die Brust vor dem Wasser senkte. Die Sätze verschluckt, die Stimme schrie, beschwor den andern, suchte ihn vom Pferd zu bewegen. Um des Heilands willen nicht zurück, er möchte vertrauen, o vertrauen. Von drüben die Worte: »Wo ist die Jagd? Führt mich zurück. Ihr seid verloren sonst.« Immer weiter in die rieselnde Dämmerung. Die lautlosen Pferde. Hinter dem Kaiser, zu seiner Seite, jagte Paar. In dem Kaiser stieg die Angst, saß an seinem Rücken, auf seinen Schultern: »Der Satan ist da.« Gehölz zur Rechten, schwellendes federndes Moos. Flitzend zwischen Stangen, gespensterhaft vorbei Hütten Zäune. Schonungen rauchten vorüber. Der Graf, erblichen, wurde von einer Betäubung, einer stirnumschließenden Abwesenheit befallen; eine Erstarrung durchdrang seine Brust von Minute zu Minute stärker; ein hopsendes Fleischgestell warf das Pferd auf ab, auf ab.
    Hörner, viele Hörner, grelles Blasen. Menschenrufe. Schwarze Haufen auf dem Feld, bellende Hunde. In ein Gewimmel von Knechten stürmten sie ein. Lange später hetzten die Herren an, die aus den Wäldern von der Suche zurückkehrten.
    Blaß stierte der Kaiser regentriefend neben seinem Pferd. Die Herren legten ihm Mäntel und Tücher um. Er sei gestürzt im Dickicht, er hätte sich mit dem Grafen Paar verirrt. Knechte jagten nach einem Feldscher. Paar schritt erschöpft hinterher, gab keine Antwort.

    IM SCHLÖSSCHEN sagte Ferdinand zu ihm, er sei ein Verräter. Als Paar nur stumm niederfiel, befahl Ferdinand ihm, sich still zu verhalten, sich ohne weiteres aus seiner Umgebung zu entfernen. Als Paar sich der Tür näherte, schäumte der Kaiser, dem Tränen in den Augen standen, vor Zorn: »Hans, ich muß dich vor Gericht stellen, ich muß dir den Kopf abschlagen lassen, ich muß dich ins Eisen werfen lassen. Du bist ein Schelm, du bist ein –. Verrucht bist du, ein Schuft bist du, ich kann dich nicht so gehen lassen.«
    Kopfgesenkt stand der völlig leere Paar, der noch die nassen verschmutzten Jagdkleider trug.
    »Ich weiß nicht, ob ich dir verzeihen kann. Ich kann nicht. Ich kann nicht.«
    Wie Paar kniete, bückte sich der Kaiser, den schwarzen Seidenrock mit der Linken zusammenraffend, schlug ihm zweimal mit der Faust auf den Kopf, stieß ihm gegen die rechte Schulter, spie aus. Der Graf wankte rückwärts, lag halb am Boden.
    Heiser Ferdinand: »Du bleibst noch hier.« Er ging vor den abendlich beschienenen Fenstern hin und her. Nach einer Weile sagte er: »Geh jetzt. Du bist still. Am Hofe bleibst du, bis ich dich fortschicke.«
    Als der Fürst in größter erschreckender Unruhe zur Frühmesse erschien, mit graugrünem geschrumpftem Gesicht aus Hoheneich von der Beichte zurückkehrte, wagte niemand sich ihm zu nähern. Dann fiel bei der Mahlzeit das Wort »Digby«, es wurde in den Gartenzelten von Tisch zu Tisch geworfen. Der Kaiser fragte, am ganzen Leib fliegend. Man wußte nur, daß er, der englische Gesandte, einen drolligen hochmütigen Einzug in Wien gehalten habe, daß, wie vom Abt Anton verlautete, der englische König Vermittlung anbiete zwischen der Römischen Majestät und dem Pfälzer samt seinem noch kämpfenden Anhang. Der Oberststallmeister wartete lange, bis der Kaiser etwas herausbrachte.
    »Uns ist ein guter Tag beschieden, Graf Mansfeld. Laßt Euch die schlimme Jagd gestern nicht gereuen. Wir bleiben nicht hier. Nach Wien! Laßt uns Herrn Digby begrüßen.«

    WIE DEN hoffnungslos Verirrten ein ferner Lichtschein von einem Haus, aus einem Stall, von dem Wachtfeuer einer Söldnerhorde, von einem Waldbrand, so zog Ferdinand Digby an, der englische Gesandte, vom König Jakob zum Grafen von Bristol ernannt, von Brüssel aus dem Quartier der spanischen Infantin hergereist. Ferdinand hieß Reisewagen beschaffen, um bequem zu fahren.
    »Nach Wien geht es, meine lieben Herren, mein lieber Molart, Graf Mansfeld. Es gibt Frieden im Reich, Ihr werdet sehen. Was halten wir uns auf, wenn solche Freude für alle Welt bereitet wird. Nach Wien!«
    Unter den Herren war auf der Rückfahrt nur ein Gerede: wie man die unerwartet rasche Heimkehr feiern wolle. Erst fieberte der Kaiser; in ihm schwang es stürmisch auf und ab, durchschwoll ihn mit gewaltsamer Bewegung vom Hals bis in den Leib, ließ ihn lachen, sich freuen, sich vorwenden zurückwenden, Hände schütteln, nicht zur Ruhe kommen. Der blitzende Molart lag halb im unverdeckten Wagen,
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