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Nördlich von Nirgendwo – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Nördlich von Nirgendwo – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)

Titel: Nördlich von Nirgendwo – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
Autoren: Steve Hamilton
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Kapitel 1
    In diesem Sommer drehte sich alles um Geheimnisse.
    Es war der Sommer, in dem ich neunundvierzig wurde, und das ließ mich an fünfzig denken und wie sich das wohl anfühlen würde. Fünfzig Jahre und kaum etwas vorzuweisen. Eine Ehe, die so lange zurück lag, daß man sie praktisch aus der Erde ausbuddeln mußte. Meine Baseball-Karriere – vier Jahre in den Nachwuchsligen und kein einziger Tag in den Großen Ligen. Und meine Karriere als Polizeibeamter in Detroit, die eines Nachts endete, als ich auf dem Rücken lag und zusah, wie mein Partner neben mir starb. Das sah ich, wenn ich auf mein Leben zurückblickte.
    Positiv schlug zu Buche, daß ich in diesem Sommer viel Zeit zum Lesen hatte. Und, obwohl ich das noch nicht wissen konnte, ich war im Begriff, einige interessante neue Leute kennenzulernen. Am Vierten Juli würde ich kein Feuerwerk zu sehen bekommen, weil ich den größten Teil des Abends auf dem Fußboden eines fremden Hauses liegen würde, während man mir eine Pistole an die Schläfe preßte. Ich würde auf eine letzte Explosion warten, vielleicht eine letzte Farbwolke. Und dann nichts mehr.
    Eine Kugel steckte bereits in mir. Für eine weitere hatte ich keinen Platz.
    Mehr als alles andere aber war dies der Sommer, in dem ich eine große Entscheidung zu treffen hatte. Würde ich in die menschliche Gesellschaft zurückkehren, oder würde ich immer weiter abdriften, bis ich zu weit weg war, um jemals den Weg zurück zu finden? Darum ging es letztlich in diesem Sommer. Und um die Geheimnisse.
    Jonathan Connery alias Jackie, Besitzer des Glasgow Inn in Paradise, Michigan, aufgewachsen in Schottland und angeblich Vetter zweiten Grades von Sean Connery und, zumindest seiner eigenen Meinung nach, genau so gut aussehend – das ist der Mann, der mich am Abend des Vierten Juli in das bewußte Haus gebracht hat. Das Glasgow Inn liegt von meinen Hütten aus nur ein Stück die Straße runter. Ich wohne in der ersten Hütte, bei deren Bau ich meinem Vater in den sechziger und siebziger Jahren geholfen habe. Die anderen fünf vermiete ich. Meine Gäste sind meist Jäger im Herbst und Schneemobilfahrer im Winter. Im Sommer sind es Familien, die mal den etwas anderen Urlaub erleben wollen. Sie kommen von der Unteren Halbinsel nach Paradise, weil es der abgelegenste Ort ist, den man erreichen kann, ohne den Staat zu verlassen – oder die gesamten USA. Nachdem sie ewig und drei Tage auf der I-75 gefahren sind, denken sie, sie sind fast da, wenn sie die Mackinac Bridge überqueren. Aber es folgt noch eine weitere Stunde durch die extremste Einöde, die sie jemals gesehen haben, bis sie sich schließlich dem Lake Superior nähern. Aber selbst dann müssen sie noch um die Whitefish Bay herum und mitten durch den tiefsten Wald des Hiawatha National Forest hindurch. Inzwischen fragen sie sich im stillen, wie hier überhaupt jemand leben kann, so weit vom Rest der Welt entfernt. Wenn sie dann endlich die Stadt erreichen, begrüßt sie ein Schild: »Paradise. Schön, daß Sie es geschafft haben!« Sie fahren an der einzigen Ampel in der Stadtmitte vorbei und dann weiter nach Norden, gut drei Kilometer an der Küste entlang, an Jackies Glasgow Inn vorbei, bis sie zu meinen Blockhütten kommen. Sobald ich ihre Gesichter sehe, wenn sie aus dem Auto steigen, weiß ich, was gebacken ist. Wenn sie sich umsehen, als wären sie soeben auf dem Mond gelandet, liegt eine recht lange Woche vor ihnen. Hier oben kann man eigentlich nicht viel machen, wenn man einen Tag im Shipwreck Museum gewesen ist und am nächsten im Taquemmon Falls State Park. Wenn sie aber aus dem Wagen steigen, die Augen schließen, tief einatmen und dann lächeln, weiß ich, daß es ihnen hier gefallen wird. Vielleicht kommen sie sogar im nächsten Jahr wieder. Und im übernächsten.
    Deshalb habe ich auch inzwischen fast nur noch Stammgäste – Leute mit fester Reservierung, die jedes Jahr in derselben Woche hierher kommen. Im Sommer habe ich nicht viel Arbeit mit ihnen. Brennholz brauchen sie nicht viel, vielleicht ein paar Scheite, wenn die Winde vom See die Abende kühl werden lassen. Und ganz bestimmt brauchen sie nicht mich, um ihnen zu sagen, was sie machen und wohin sie fahren sollen. Sie sind perfekt glücklich, wenn sie mich nie zu Gesicht bekommen.
    In diesem Sommer habe ich viel Zeit alleine verbracht. Ich brauchte das einfach. Es hatte eine Zeit gegeben, wo irgendein Rechtsanwalt mich beschwatzt hatte, Privatdetektiv zu werden. Ich wagte
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