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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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aus, begegnete ihm nichts. Setzte sich weiter in Bewegung. Und eines Tages erfuhr der Lord den unverhofften Besuch eines Geheimschreibers des kaiserlichen Hohen Rats, von dem er zu seinem Erstaunen hörte, daß seine Bemühungen im erfreulichen Einklang mit den Absichten Seiner Majestät wären und daß der Anberaumung einer Audienz nichts mehr im Wege stände.
    An den Haaren zog der Lord den lachenden Rusdorf heraus aus der Kammer: »Hinter meinem Rücken agiert! Ohne mich zu fragen, ohne mich zu informieren. Ihr! Ihr! Wer ist die Pfalz. Ich würg’ den Herrn.« Entzückt kläffte Rusdorf dagegen. Wildes Lamentieren Digbys, der davonrannte.
    Pawel, der zugegen war, schleppte seine schwermütige Gestalt durch den Raum, voll Ekels über den Briten und seinen Gefährten. Der Triumph des andern klang kaum an seine Ohren. Als ihn abends Digby aufstöberte, roh schreiend, ob der Herr auch etwas gegen ihn im Sinne habe, sagte Pawel matt, er würde den Herren beiden nicht lange mehr zur Last fallen, der Herr möchte nichts von ihm befürchten.
    Rusdorf, der sich an Pawel drängte, las abends entsetzt die auf dem Tisch ausgebreiteten Papiere, Abschiedsbriefe; ruhig ließ ihn der gewähren. Als aber Rusdorf nach seiner Hand greifen wollte, fuhr der andre wie gestochen zurück, leise scharf ausstoßend: »Scheusal. Viehisches. Schmieriges. Nicht mich angerührt.«
    Rusdorf weinte: »Wir können nichts machen ohne Digby. Verzeiht mir.«
    »Rühr’ der Herr mich nicht an.«
    »Ich weiß mir keinen Rat.«
    »Es mag sein, wie dem Herrn gefällt. Nur möchte ich Ihn bitten, mir bald aus dem Gesicht zu gehen.«
    »Was will der Herr Bruder tun. Wo will Er hin?«
    Der schwieg.
    »Bruder, Herzensbruder, ich muß dir etwas sagen. Du darfst nicht weg. Bruder, du magst deine Briefe abschicken oder nicht. Ich will es nicht hindern. Nein, du wirst nicht weggehen. Ich, ich lass’ dich nicht.«
    »Wie aber gedenkt Herr Rusdorf das zu hindern?«
    »Das mag der Herr nicht fragen.«
    »Ich werde noch heute Digby und den Herrn verlassen.«
    »Ihr werdet das Haustor nicht zumachen. Ihr könnt nicht. Ihr zwingt mich. Ihr mögt denken, ob ich Ehre habe oder nicht. Mich tragt Ihr nicht so zum Gespött hinaus mit Euch, Herr. Ich muß bei Digby bleiben.«
    »Ihr werdet sehen.«
    »Ich fleh’ Euch an, es nicht zu versuchen.«
    Rusdorf kniete, wimmerte vor dem andern, der sehr traurig von ihm abrückte.
    Zwei Stunden später wurde Pawel, verkleidet über die halbdunkle Stiege hinabschleichend, am untersten Absatz aus der Finsternis von zwei Degenstößen getroffen, durchbohrt am Oberarm und beiden Schenkeln, daß er mit Wehgeheul hinsank. Rusdorf mit dem blutignassen Stahl entwischte in eine Seitengasse.

    NIKOLAUS GURLAND, aus dem Sumpf der böhmischen Verwaltung vor dem Krieg nach Wien gekrochen, war ein Misanthrop. Die wüsten Herren von der Landtafel hatten die kleinbürgerliche Rechenmaschine vergeblich zu kujonieren versucht. Seine trostlosen Berichte Memorials Denkschriften an den verstorbenen Kaiser Matthias hatten schon böses Blut bei diesen Herren gemacht; seine langweiligen Zahlen über den Rückgang des Bergwerkertrags in Joachimsthal Kuttenberg Ratibořitz waren nicht zu widerlegen. Da er immer einen verwitterten blauen Tuchanzug trug und sich nicht um Politik scherte, regelmäßig zur Messe ging, beichtete, konnte man ihm nur zusetzen durch Verweise wegen Vernachlässigung amtlicher Würde in Tracht Gebaren, ihm demütigende Belehrungen erteilen über Umgang mit Behörden. Tief getroffen kaufte er sich einen kostbaren Federhut, zog sich blaue Strümpfe an, schwang einen zierlichen Degen, aber die breiten böhmischen Schuhe schleppte er an den Füßen, den Mantel trug er wie ein Paket unter dem linken Arm. Der Chef, ungerührt, ging ihn eines Tages mit einer frechen Bestechung an; da sah Gurland, daß er mitmachen oder gehen müsse. In Wien wurde er wegen seiner Griesgrämigkeit, des unpersönlichen Mißtrauens, der ruhelosen Strenge und Reinlichkeit von Behörde zu Behörde geschoben. Den Don Marradas, einen großartigen liederlichen Herrn am Hofe, seinen Hausnachbarn, bewahrte er durch private Rechnungsführung vor schwerer Überwucherung; Don Marradas ritt neben der Kutsche des Kaisers und war Kapitän der Hatschiere. So daß dem böhmischen Sekretär Nikolaus Gurland das Letzte geschah, er sturzartig, seiner Verwirrung ungeachtet, in das Amt des Schatzmeisters gelangte. Seine bürgerlichen Sonderheiten waren nun geheiligt; an den
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