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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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öfter den Lord vor Pawel, Jugend hat keine Tugend.
    »Wir waren nicht besser, als wir jung waren. Ich selbst, Pawel, in Altdorf, o je!« Leckte sich zärtlich die Lippen.
    Pawel saß allein an der Mittagstafel. Digby herein: »Wo ist der andre?«
    »Ich weiß nicht. Ich weiß, aber ich antworte nicht.«
    Digby öffnete stumm die Tür zur Nebenkammer. »Ruß! Ruß! Rusdorf!«
    Über die Stiege: »Rusdorf. Her. Ran.« Im grüntuchenen Schlafrock, mit dem roten Schlafkäppchen, tappte etwas aus einer zweiten Seitenkammer.
    »Aber schneller, wenn ich bitten darf.«
    Rusdorf stand unsicher vor ihm, flüsternd: »Mein Gott, Lord, Graf, redet nicht mit mir in dem Ton.«
    Der zischte zwischen den Zähnen: »Ich schlag mich mit dem herum. Wo steckt Ihr denn, verdammter Schnappsack?«
    »O Gott, mein Allmächtiger. Vor Pawel, Lord.«
    »Still. Geh mir voraus.«
    Zeigte mit dem Stock auf Pawel, der still dasaß, mit seinem Degengriff spielte.
    »Was ist?« fragte unglücklich Rusdorf.
    »Er soll auf den Tisch. Vorwärts.«
    Er nahm, die Augenbrauen hochziehend, den Stock zwischen die Zähne, kreuzte den Arm.
    Rusdorf bettelnd, das Käppchen abziehend: »O Lord.«
    Der bewegte sich nicht.
    Rusdorf streichelte ihm die Hand, machte ein kläglich inniges Gesicht, bat ihn sehr leise, in die Nachbarkammer zu kommen; er dachte sich da vor dem Lord zu entwürdigen, wie der es wollte.
    Digbys Runzeln blieben steif.
    Zaghaft näherte sich Rusdorf dem andern am Tisch, flehte vor Pawel: »Unser armer Herr.«
    Der bewegte keine Miene, schien Rusdorf nicht zu kennen.
    »Unser armer Herr«, bettelte Rusdorf. »Geht«, flüsterte er.
    Pawels Degen wippte am Boden. Rusdorf sah sich nach Digby um, der stand still, scharf blickend wie Pawel.
    »Kommt, geht auf den Tisch. Ich setz’ mich mit Euch, wir haben es gestern gekonnt. Es ist ja gleich vorbei.«
    Er faßte ihn um die Schulter. Ihn schauderte vor der Berührung des blauen Tuches. Der hatte mit der Schulter gezuckt, den Oberkörper vorwärts, rückwärts geworfen. Abgeschüttelt, seitlich stolpernd fiel Rusdorf auf die Hände.
    »So!« stand er demütig vor dem Grafen. Der, den Stock im Gebiß, zeigte mit den Blicken auf Pawel.
    Weinend, leise und zornig vor dem Tisch: »Ihr dürft es nicht so lange hinziehen. Ich vermag es dann selbst nicht. Es geht über meine Kraft. Wenn ich dies alles erdulde von, von dem Übeltäter.«
    Kaum hörbar: »Geht.«
    »Ihr müßt. Ihr müßt. Was hab’ ich Euch denn getan?«
    »Rusdorf, geht.«
    »Kommt mir nicht mit ›geht‹. Was mir recht ist, ist Euch billig. Ihr dürft nicht Euer Spiel mit mir treiben.«
    »Rusdorf, laßt meine Hand.«
    Der schäumte: »Nennt mich nicht beim Namen.«
    Er faßte ihn vor der Stuhllehne um die Taille. Pawel, ohne sich zu bewegen, steif wie ein Baumstamm, wurde wenig angehoben. Dann stieß er dem stöhnenden Mann den Degenkorb gegen die Schläfen.
    Der ließ aufschreiend los.
    Digby spuckte im ruhigen Anschreiten den Stock auf den Boden, klopfte Pawel auf die Schulter: »War gut so, Herr.«
    Drei Tage blieb Rusdorf darauf unsichtbar. Kam lärmend heraus, in alle Ecken sich umblickend. Was inzwischen geschehen sei. Stünde noch alles auf demselben Fleck wie früher. So mache man Geschichte.
    »Der Herr Bruder hat keinen Grund, sich zu ereifern.«
    Und der Graf von Bristol immer frisch hinter den Hunden und dicken Weibern her; Wirtschaft, saubere Wirtschaft. Frech kreischte er, als Digby um Mittag erschien. Der ließ es sich schmecken, ohne ihn zu beachten, konversierte mit Pawel. Nur beim Abschied konnte sich der Graf nicht enthalten, auf der Schwelle den erregten Rat mit einem kleinen Peitschenhieb abzuwehren.
    »Lustig getäuscht!« duckte sich der, »noch einen, recht, noch einen.«
    Als er noch zur Vesperzeit fluchte rumorte, verließ ihn auch Pawel.
    Nach schrecklichster Überwindung, fast berauscht vor Angst, betrat dicht hinter ihm Rusdorf die Gasse. Seine hitzigen Blicke, sein Lippenbeben, halblautes Selbstgespräch, die englische Tracht fielen auf; die Jungen, die nachliefen, schrie er an; die Männer – Handwerker Studenten – suchte er über Straßen Wege auszuforschen, verließ sie lächelnd mitten in der Antwort. Verzweifelnd schritt er an der Spitze eines kleinen Volkshaufens, wußte sich nicht Rat, als sich betrunken zu geben, unter wildem Gejohl nach Stunden wieder vor dem Quartier zu erscheinen, heraufgeholt von Digby, der ihm finster die Kleider abnahm.
    Nunmehr ging er frisch im eigenen Kleid öfter
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