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Schwarze Heimkehr

Schwarze Heimkehr

Titel: Schwarze Heimkehr
Autoren: Eric van Lustbader
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PROLOG
    »Gestern nacht hatte ich einen Traum«, sagte Heitor Bonita, »und zwar …«
    »
Madre de mentiras
, ich bitte dich, erzähl mir deine Träume nicht«, antwortete Antonio Bonita. »Ich kenne sie doch.«
    »Dieser war anders«, erwiderte Heitor. »Den kennst du sicher nicht.«
    Es entstand eine kurze, aber unbehagliche Pause, während der Doo-wop-Sound von ›Mope-itty Mope‹ von den Boss-Tones aus den Lautsprecherboxen dröhnte. Es war Heitors Idee gewesen, die Musik dieser alten amerikanischen Gruppen wiederaufleben zu lassen. Antonio hätte Machitos brandheißen, afrokubanischen Cu-Bop-Jazz vorgezogen, aber es sah so aus, als hätten die Kids, die in South Beach herumhingen, mit der Latino-Tradition nicht viel am Hut und als würde sich daran auch nichts ändern. Ihr Pech. Aber selbst Antonio mußte zugeben, daß das Boneyard von Heitors Einfall profitiert hatte.
    Seit sie das Lokal eröffnet hatten, war es immer fast aus den Nähten geplatzt. Antonio hatte zuerst skeptische Einwände erhoben, aber die Idee war so überraschend unkonventionell, daß Heitor von Anfang an hingerissen gewesen war. Wie immer waren sie natürlich nicht offiziell involviert und weit davon entfernt, als Eigentümer aufzutreten. Sie hielten sich im Dunkeln und kassierten unbeobachtet das Geld. Vom ersten Augenblick an, als sie den Fuß auf nordamerikanischen Boden gesetzt hatten, hatten sie dafür gesorgt, daß alle ihre Geschäfte absolut legal waren. Ihr Imperium bestand vor allem aus einer Chemie- und Erzminen-Gesellschaft sowie einer Handvoll von Import- & Exportunternehmen und einer kürzlich gegründeten Firma, die indirekt Eigentümerin des Boneyards und anderer Clubs in Florida und im Südosten der Vereinigten Staaten.
    Hier lief alles anders ab als in Lateinamerika, wo Schmiergelder und Korruption im großen Stil sowohl für die alteingesessenen Familien als auch für die Regierungen zu den Haupteinnahmequellen gehörten. Die beiden kamen gut mit Regierungen und Bürokraten aus. Sie wußten, wie man mit Ministern umging, weil sie die geringsten Anzeichen von Korruption witterten und für ihre Zwecke nutzbar machen konnten.
    »Ich will nichts von diesem Traum hören.« Antonio blickte sich um. P. T. Barnum hatte ihr Marktpotential völlig unterschätzt. In jeder Minute wurden zehntausend neue Idioten geboren. »Ich habe ein schlechtes Gefühl dabei.«
    Wenn sie sich anschauten, war es, als blickten sie in einen Spiegel. Beide dachten dann: Das ist mein Bruder, aber gleichzeitig bin ich es selbst. Heitor und Antonio waren eineiige Zwillinge, und die Ähnlichkeit reichte bis zu ihren außergewöhnlichen bernsteinfarbenen Augen.
    »Ein schlechtes Gefühl, sagst du?« Heitors Gesichtsausdruck glich dem eines hungrigen Wolfes, der der Fährte zu einem Hühnerstall folgte.
    Sie waren groß und schlank wie Schlangen und auf ihre Art ansehnliche Männer. Ihr dichtes, gelocktes Haar leuchtete wie Kupfer, und ihre Gesichtshaut spannte sich über den hervorspringenden Knochen. Sie hatten diese Züge und viele weitere von ihrer Mutter geerbt. Aber es gab auch eine andere, mystische Seite an ihnen, für die jemand außerhalb der Familie verantwortlich war. Sie schlug sich in ihrer Ausstrahlung nieder, die gleich der einer schwarzen Witwe kraftvoll und anziehend war. Sie schienen von einer bemerkenswerten Ruhe umgeben zu sein, jener sich kräuselnden und feuchten Energie, die man bei flüssigem Quecksilber wahrnimmt. Die Brüder waren Raubtiere, die sich nicht besonders anstrengen mußten, um das zu kriegen, was sie haben wollten.
    Als die ersten Akkorde von ›Hong Kong Jelly Wong‹ von den Royaltones erklangen, ergriff Heitor wieder das Wort. »Dieser Traum ist wichtig. Schlechtes Gefühl oder nicht, wir müssen darüber reden.« Die beiden Brüder waren in ein Grau gekleidet, das am ehesten an die Innenseite einer Austernmuschel erinnerte. Sie trugen kurzärmlige Hemden, schmalgeschnittene Hosen im Stil der sechziger Jahre und dünnsohlige Schuhe ohne Socken. Sie verachteten Socken.
    Antonio sagte nichts, weil er wußte, daß jener Augenblick kommen würde.
    »Ich habe geträumt, daß ich ein strenggläubiger Jude wäre«, sagte Heitor. »Ich wachte als dieser Jude aus einem Traum auf, als wäre ich gerade geboren worden. Versteh mich richtig, dieser Traum war mehr als eine Prophezeiung.« Er warf die Arme auseinander und beschrieb einen Kreis. »Er verriet mir, daß der Messias an einem Sonntag erscheinen würde. Gute Nachricht,
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