Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Titel: Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
möchte sogar behaupten, daß Sie mich beneiden.«
    »Sie sind verrückt«, sagte Wallander und konnte seinen Abscheu nicht verbergen.
    »Verrückt vor Glück, verrückt vor Zorn, ja. Aber nicht einfach verrückt, Kommissar Wallander. Sie müssen begreifen, daß ich ein leidenschaftlicher Mensch bin. Ich liebe es, Geschäfte zu machen, einen Konkurrenten zu besiegen, meinen Reichtum zu vermehren und mir keine Grenzen setzen zu |361| müssen. Wahrscheinlich bin ich so etwas wie ein rastlos suchender Fliegender Holländer. Aber vor allem bin ich im wahrsten Sinne des Wortes ein Heide. Machiavelli ist Ihnen vielleicht ein Begriff?«
    Wallander schüttelte den Kopf.
    »Der Christ, so meint dieser italienische Denker, sagt, das höchste Glück bestehe in Demut, Entsagung und Verachtung alles Menschlichen. Der Heide dagegen sieht das höchste Gut in seelischer Größe, körperlicher Stärke und all den Eigenschaften, die den braven Bürger schrecken. Kluge Worte, die ich stets beherzige.«
    Wallander sagte nichts. Harderberg nickte in Richtung Sprechfunkgerät und zeigte auf seine Armbanduhr. Es war ein Uhr. Wallander ging auf Sendung. Irgendwie mußte er den Notruf absetzen. Wieder sagte er zu Ann-Britt Höglund, daß alles in Ordnung sei und daß er sich in einer Stunde wieder melden werde.
     
    Die Nacht verging jedoch mit regelmäßigen Anrufen, ohne daß es Wallander gelang, Ann-Britt Höglund eine Nachricht zukommen zu lassen, die sie dazu gebracht hätte, Alarm zu schlagen. Er hatte gemerkt, daß sie mit den beiden Leibwächtern allein auf dem Schloß waren; im Morgengrauen wollte Alfred Harderberg nicht nur sein Schloß, sondern auch das Land verlassen, zusammen mit den reglosen Schatten im Hintergrund, die seine Werkzeuge waren und jeden töteten, auf den er mit dem Finger wies. Übrig blieben nur Sofia und die Frau, die das Tor bewachte. Alle Sekretärinnen waren fort – vielleicht warteten sie schon in einem anderen Schloß, irgendwo auf der Welt.
    Der Schmerz in Wallanders Kopf hatte nachgelassen. Er war sehr müde. Nun war er zwar bis zur Wahrheit vorgedrungen, stand ihr aber ohnmächtig gegenüber. Man würde ihn auf dem Schloß zurücklassen, wahrscheinlich gefesselt, und wenn es ihm gelingen sollte, sich loszumachen, wären sie längst hoch in der Luft und auf und davon. Die Geständnisse der Nacht würden später von den Anwälten Alfred Harderbergs bestritten |362| werden. Die bewaffneten Männer, die Schwedens Grenzen niemals überschritten hatten, würden weiter im Schatten stehen, für keinen Ankläger erreichbar. Ohne Beweise würden die Ermittlungen im Sande verlaufen. Und Alfred Harderberg wäre weiterhin der respektable Bürger, über jeden Verdacht erhaben.
    Wallander hielt die Wahrheit in der Hand. Man hatte ihm sogar bestätigt, daß Lars Borman ermordet worden war, weil er die Verbindung zwischen Alfred Harderberg und dem Betrug an der Provinzbehörde aufgedeckt hatte. Damals hatten sie kein Risiko eingehen wollen, daß Gustaf Torstensson sehen könnte, was er nicht sehen sollte. Später war es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen doch geschehen. Was halfen ihm nun seine Erkenntnisse? dachte Wallander. Die Wahrheit würde auf der Strecke bleiben, sie würde sich selbst verzehren, weil niemand wegen der schweren Verbrechen verhaftet werden konnte.
    Woran sich Wallander später immer erinnern sollte, das waren ein paar Worte Harderbergs, die dieser gegen fünf Uhr morgens geäußert hatte, als sie noch einmal über den Plastikbehälter und die Menschen sprachen, die wegen des Handels mit Organen sterben mußten.
    »Verstehen Sie doch, daß dies nur ein unbedeutender Teil meiner Geschäftstätigkeit ist, so unbedeutend, daß man ihn vernachlässigen kann. Aber ich kaufe und verkaufe, Kommissar Wallander. Meine Bühne ist der Markt. Ich lasse keine Möglichkeit aus, wie klein und unbedeutend sie auch sein mag.«
    Menschenleben sind unbedeutend, hatte Wallander gedacht. Das ist die Wahrheit in Alfred Harderbergs Welt.
    Danach war ihr Gespräch versiegt. Alfred Harderberg hatte die Computer ausgeschaltet, einen nach dem anderen, und eine Anzahl Dokumente durch den Reißwolf gejagt. Wallander hatte an Flucht gedacht, aber dann war sein Blick auf die reglosen Schatten im Hintergrund gefallen. Er war besiegt.
    Alfred Harderberg strich mit den Fingerspitzen über die Lippen, als wollte er kontrollieren, ob das Lächeln noch da war. Dann schaute er Wallander ein letztes Mal an. »Wir müssen |363| alle
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher