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Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Titel: Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
Autoren: Henning Mankell
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Taschenlampe an. Im Lichtkegel sah er auf dem Boden einen nackten Fuß. Er zuckte zusammen und |354| ließ die Lampe fallen, die beim Aufprall erlosch. Er glaubte, sich getäuscht zu haben, und begann, nach der Taschenlampe zu tasten.
    Endlich hatte er sie gefunden. Als er sie wieder einschaltete, schaute er direkt in Kurt Ströms totes Gesicht. Die Haut war bleich, der Mund zusammengekniffen. Man hatte ihn mitten in die Stirn geschossen. Wallander dachte an Sten Torstensson. Dann wendete er sich ab und rannte davon. Nach wenigen Metern mußte er, gegen einen Baum gelehnt, erbrechen. Als er den ausgetrockneten Teich erreicht hatte, sackte er am Rand zusammen. Irgendwo oben flatterte ein Vogel. Er ließ sich hinunter und verkroch sich in einer Ecke. Es war, als hockte er in einem Grab. Er meinte, Schritte zu hören, und zog die Pistole. Aber niemand kam, um in den Teich zu schauen. Wallander atmete tief durch und zwang sich, ruhig zu denken. Er war nahe daran, in Panik zu geraten und die Beherrschung zu verlieren. In vierzehn Minuten würde er Ann-Britt Höglund anrufen. Aber er mußte nicht warten, er konnte auch jetzt schon Kontakt zu ihr aufnehmen und sie bitten, Björk zu alarmieren. Kurt Ström war tot, durch einen Kopfschuß ermordet, und nichts konnte ihn ins Leben zurückbringen. Die Kollegen würden anrücken, Wallander würde sie am Tor erwarten. Was dann geschehen würde, konnte er sich nicht vorstellen.
    Aber er rief nicht an. Er wartete vierzehn Minuten. Erst dann schaltete er auf Sendung.
    Sie meldete sich sofort. »Was ist los?« fragte sie.
    »Noch nichts«, antwortete er. »Ich rufe dich in einer Stunde wieder an.«
    »Hast du Ström gefunden?«
    Bevor sie die Frage wiederholen konnte, hatte er das Funkgerät abgeschaltet. Wieder war er allein im Dunkeln. Er hatte eine Entscheidung getroffen, deren Folgen er noch nicht abschätzen konnte. Er hatte sich eine Stunde Zeit verschafft und wußte nicht, wozu er sie nutzen sollte. Langsam stand er auf und kletterte aus dem künstlichen Teich. Frierend lief er auf das Licht zu, das zwischen den Stämmen schimmerte. Am Rand |355| der großen Rasenfläche, die sich bis zum Schloß erstreckte, blieb er stehen.
    Vor ihm erhob sich eine uneinnehmbare Festung. Dennoch war Wallander überzeugt, daß er die Mauern überwinden mußte. Kurt Ström war tot, das konnte man ihm nicht anlasten. Ebensowenig war er dafür verantwortlich, daß Sten Torstensson ermordet worden war. Für Wallander stellte sich die Schuldfrage anders; er würde es sich nie verzeihen können, so kurz vor dem Ziel aufgegeben zu haben. Irgendwo muß es trotz allem eine Grenze geben, dachte er. Sie konnten ihn doch nicht einfach erschießen, einen Kriminalpolizisten aus Ystad, der nur seine Arbeit machte. Oder gab es für diese Menschen keine Grenzen? Er versuchte vergeblich, zu einer gültigen Antwort zu kommen. Mutlos schlich er zur Rückseite des Schlosses, zu dem Teil des Gebäudes, den er noch nicht gesehen hatte. Es dauerte zehn Minuten; er zitterte vor Angst und Kälte. Hinter dem Schloß erstreckte sich eine halbmondförmige Terrasse, die auf den Park hinausging. Die linke Seite der Terrasse lag im Schatten, offenbar waren einige der unsichtbaren Scheinwerfer ausgefallen. Von dort führte eine Steintreppe auf die Wiese. Er rannte, so schnell er konnte, in den schützenden Schatten. Vorsichtig stieg er die Treppe hinauf. In einer Hand hielt er das Funkgerät, in der anderen die Taschenlampe; die Pistole hatte er in die Tasche gesteckt.
    Plötzlich blieb er stehen und lauschte. Was war das für ein Geräusch? Dann wurde ihm klar, daß ihn so etwas wie eine innere Stimme gewarnt hatte. Hier stimmte etwas nicht. Es hatte mit dem Licht zu tun. Vielleicht hat man mich absichtlich in den Schatten gelockt? Als er das dachte, war es bereits zu spät. Er hatte sich umgedreht, um die Treppe hinunter wieder zu verschwinden, da wurde er geblendet. Grellweißes Licht schlug ihm ins Gesicht. Er hielt die Hand mit dem Funkgerät vor die Augen, um sich zu schützen. Gleichzeitig spürte er, wie jemand von hinten nach ihm griff. Er versuchte vergeblich, sich loszureißen. Dann explodierte etwas in seinem Kopf. Es wurde dunkel.
     
    |356| Irgendwie war ihm die ganze Zeit bewußt, was mit ihm geschah. Er wurde weggetragen, er hörte eine Stimme und ein leises Lachen. Eine Tür wurde geöffnet, Schritte verklangen auf dem Steinboden der Terrasse. Jetzt war er im Haus, wurde eine Treppe hinaufgetragen und dann
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