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Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Titel: Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
Autoren: Henning Mankell
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wie die eines Mannes, dessen Zeit kostbar ist. Es ging um eine komplizierte Transaktion, um eine auf Korsika registrierte Reederei und um Zementtransporte nach Saudi-Arabien, wo eine seiner Firmen als Agentin für Skanska tätig war. Vagen Andeutungen zufolge sollte eine Moschee in Khamis Mushayt erbaut werden. Oder auch eine Universität in Jeddah.
    Einige Tage später hatten sie sich im Hotel Continental in Ystad getroffen. Er war zeitig gekommen und hatte an einem Ecktisch Platz genommen. Das Restaurant war eigentlich noch geschlossen, der jugoslawische Kellner schaute mürrisch durch die hohen Fenster. Es war Mitte Januar. Ein stürmischer Wind blies von der Ostsee her; bald würde es schneien. Der sonnengebräunte Mann im dunkelblauen Anzug, der auf ihn zukam, schien höchstens fünfzig Jahre alt zu sein. Irgendwie paßte er weder zum Januarwetter noch nach Ystad. Er war ein Fremdling, mit einem Lächeln, das nicht richtig zu dem braungebrannten Gesicht gehörte.
    Das war die erste Erinnerung an den Mann von Schloß Farnholm. An einen Mann ohne Eigenschaften im blauen Maßanzug, ein ganz eigenes Universum, in dessen Zentrum das Lächeln stand. Die drohenden Schatten waren wie unauffällige Satelliten gewesen, die ihn wachsam umkreisten.
    |10| Die Schatten waren also bereits damals dagewesen. Er konnte sich nicht erinnern, ob sie sich einander überhaupt vorgestellt hatten. Sie saßen an einem Tisch im Hintergrund und waren nach Beendigung des Treffens schweigend aufgestanden.
     
    Die goldene Zeit, dachte er bitter. Ich war dumm genug zu glauben, daß es so etwas gibt. Die Vorstellungswelt eines Anwalts darf nicht von Illusionen über ein zu erwartendes Paradies getrübt werden, zumindest nicht hier und jetzt. Nach einem halben Jahr verdankte die Kanzlei dem sonnengebräunten Mann die Hälfte ihrer Einkünfte, nach einem Jahr hatten sich die Gesamteinnahmen verdoppelt. Die Überweisungen kamen pünktlich, nie mußte eine Mahnung geschickt werden. Sie konnten sogar das Haus renovieren, in dem sich das Büro befand, und alle Transaktionen schienen legal zu sein, wenn auch kompliziert und vielschichtig. Der Mann von Schloß Farnholm schien seine Geschäfte von allen Kontinenten aus zu dirigieren, die Orte wirkten willkürlich ausgewählt. Oft kamen Faxmitteilungen und Anrufe, manchmal auch Funksprüche, aus seltsamen Städten, die er auf dem Globus kaum finden konnte, der neben dem Ledersofa im Besucherzimmer stand. Aber es schien eben alles legal zu sein, wenn auch schwer nachzuvollziehen.
    Die neue Zeit, hatte er gedacht. So sieht sie aus. Und als Anwalt muß ich unendlich dankbar sein, daß der Mann von Schloß Farnholm im Telefonbuch gerade auf meinen Namen gestoßen ist.
    Seine Gedanken wurden abrupt unterbrochen. Für einen kurzen Augenblick glaubte er an Einbildung. Dann nahm er die beiden Scheinwerfer im Rückspiegel wahr. Der Wagen hatte sich herangeschlichen und war bereits sehr nahe.
    Sofort kehrte die Furcht zurück. Sie waren ihm also gefolgt. Sie argwöhnten, er könnte seinen Eid brechen und anfangen zu reden.
    Sein erster Impuls war, Gas zu geben und durch den weißen Nebel zu entfliehen. Schon rann ihm der Schweiß am Körper herunter. Die Lichter waren jetzt dicht hinter seinem Auto.
    |11| Die Schatten, die töten, dachte er. Ich entkomme ihnen nicht, genausowenig wie ein anderer.
    Dann wurde er überholt. In dem vorbeifahrenden Wagen erkannte er undeutlich das graue Gesicht eines alten Mannes. Schnell verschwanden die roten Rücklichter im Nebel.
    Er zog ein Taschentuch aus der Jackentasche und trocknete sich Stirn und Nacken.
    Bald bin ich zu Hause, dachte er. Nichts wird geschehen. Frau Dunér hat eigenhändig im Kalender vermerkt, daß ich heute Farnholm besuche. Niemand, nicht einmal er, schickt seine Schatten aus, um einen älteren Anwalt auf dem Heimweg zu töten. Das wäre zu riskant.
     
    Es hatte fast zwei Jahre gedauert, bis er allmählich einsah, daß da etwas nicht stimmte. Es war eine belanglose Sache, die Durchsicht einer Reihe von Verträgen, bei denen die Exportaufsichtsbehörde als Bürge für einen großen Kredit fungierte. Turbinenersatzteile für Polen, Mähdrescher in die Tschechoslowakei. Es war ein unbedeutendes Detail, einige Zahlen, die plötzlich nicht stimmten. Er dachte zunächst an einen Schreibfehler, an vertauschte Ziffern. Dann ging er der Angelegenheit auf den Grund und mußte erkennen, daß nichts zufällig, sondern alles absichtsvoll geplant war. Nichts fehlte,
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