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Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Titel: Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
Autoren: Henning Mankell
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sterben«, sagte er, und es klang so, als gäbe es trotz allem eine Ausnahme, ihn selbst nämlich. »Auch die Lebenszeit eines Kriminalkommissars ist bemessen. In diesem Falle durch mich.«
    Er schaute auf seine Armbanduhr, bevor er fortfuhr: »Bald ist es hell, und hier wird ein Helikopter landen. Meine beiden Assistenten werden abreisen, und Sie werden sie begleiten, jedoch nur eine kurze Strecke. Dann können Sie Ihr eigenes Flugvermögen testen.«
    Während er sprach, ließ er sein Gegenüber nicht aus den Augen. Er will, daß ich um mein Leben bitte, dachte Wallander. Aber dieser Wunsch wird unerfüllt bleiben. Wenn die Angst einen gewissen Punkt erreicht hat, verwandelt sie sich in ihr Gegenteil. Das weiß ich aus Erfahrung.
    »Das Flugvermögen von Menschen wurde vor allem im Vietnamkrieg getestet«, fuhr Harderberg fort. »Gefangene wurden freigelassen, allerdings in großer Höhe. So erhielten sie für einen Augenblick ihre Freiheit zurück, bevor sie auf den Boden aufschlugen und aller Sorgen ledig waren.«
    Er erhob sich und zog das Sakko zurecht. »Meine Hubschrauberpiloten sind sehr geschickt. Ich glaube, es könnte ihnen gelingen, Sie mitten auf dem Stortorg in Ystad landen zu lassen. Das wäre ein Ereignis, das in die Annalen der Stadt eingehen würde.«
    Er ist verrückt, dachte Wallander. Er versucht, mich fertigzumachen, damit ich um mein Leben winsele. Aber es wird ihm nicht gelingen.
    »Nun trennen sich unsere Wege«, sagte Harderberg. »Zweimal sind wir uns begegnet. Ich glaube, ich werde Sie vermissen. Es gab Augenblicke, da zeigten Sie beinahe Anzeichen von Scharfsinn. Unter anderen Umständen hätte ich für Sie vielleicht einen Platz in meiner Nähe gehabt.«
    »Die Ansichtskarte«, unterbrach ihn Wallander. »Die Karte, die Sten Torstensson aus Finnland geschickt hat, obwohl er sich bei mir in Dänemark aufhielt.«
    »Es macht mir Spaß, Handschriften zu imitieren«, antwortete Harderberg zerstreut. »Ich darf behaupten, daß ich es darin |364| zu einer gewissen Meisterschaft gebracht habe. An dem Tag, an dem Sten Torstensson auf Jütland war, habe ich einige Stunden in Helsinki verbracht. Ich hatte eine, übrigens ergebnislose, Besprechung mit einem Direktor von Nokia. Es war wie ein Spiel, als stocherte man mit dem Stock in einem Ameisenhaufen. Ein Verwirrspiel, sonst nichts.«
    Harderberg streckte Wallander zum Abschied die Hand hin, die dieser überrascht ergriff.
    Dann drehte sich Alfred Harderberg um und ging.
    Wallander kam es so vor, als müßte ein Vakuum entstehen, als sich die Tür hinter Harderberg geschlossen hatte.
    Tolpin lehnte an einem Pfeiler und betrachtete Wallander. Obadia hatte sich gesetzt und starrte vor sich hin.
    Wallander mußte handeln. Er weigerte sich zu glauben, daß Harderberg befohlen hatte, ihn über dem Zentrum von Ystad aus dem Helikopter zu werfen.
    Minuten vergingen. Die beiden Männer rührten sich nicht.
    Man würde ihn also lebend hinausstoßen, und er würde auf ein Dach oder auf den Steinbelag des Stortorg aufschlagen. Diese Erkenntnis versetzte ihn in eine Panik, die ihn lähmte und sich wie Gift im ganzen Körper verteilte. Das Atmen fiel ihm schwer. Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg.
    Obadia hob langsam den Kopf. Wallander vernahm leise Motorengeräusche, die näher kamen. Der Hubschrauber war im Anflug. Tolpin nickte ihm zu; es war Zeit zu gehen.
    Als sie in das frühe Morgengrauen hinaustraten, stand der Hubschrauber schon bereit. Die Rotorblätter schnitten durch die Luft. Der Pilot würde abheben, sobald sie an Bord waren. Verzweifelt suchte Wallander nach einem Ausweg. Tolpin ging vor ihm, Obadia hielt sich einige Schritte hinter ihm, die Pistole in der Hand. Jetzt hatten sie den Helikopter fast erreicht, das Dröhnen nahm zu. Wallander entdeckte einen Haufen aufgehackten Zement schräg vor sich auf der Landeplattform. Jemand hatte Risse verschmiert und das unverbrauchte Material nicht weggeräumt. Wallander ging langsamer, so daß Obadia ihn für einen Augenblick überholte. Dann beugte er sich schnell hinunter, verwendete seine Hände als Schaufeln und |365| schleuderte so viel Zement, wie er greifen konnte, gegen die Rotorblätter. Es krachte und knallte, Zementsplitter pfiffen ihnen wie Gewehrsalven um die Ohren. Tolpin und Obadia glaubten im ersten Moment, sie würden beschossen, und achteten nicht auf ihren Gefangenen. Wallander warf sich mit der Kraft der Verzweiflung auf Obadia und entwand ihm die Pistole. Dann machte er ein
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