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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key
Autoren: Stephen King
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Geringste gewesen. Ich erinnerte mich, wie ich sie vor nicht sehr langer Zeit aufgefordert hatte, die Kalbsachse rauszubringen und in ihren Gesichtspuder zu stecken. Ich dachte daran, sie zu bitten, sich die Sache wenigstens noch einmal zu überlegen, aber dann kehrte die Wut zurück. Damals war die unangemessene Wut , wie Dr. Kamen sie nannte, mein hässlicher Freund. Und he, was ich in diesem Augenblick empfand, erschien mir ganz und gar nicht unangemessen.
    Ich hatte das Hemd ausgezogen. Mein rechter Arm endete neun Zentimeter unterhalb der Schulter. Ich zuckte damit in ihre Richtung - ein Zucken war alles, was ich mit den verbliebenen Muskeln noch zustande brachte. »Das bin ich«, sagte ich, »der dir den Stinkefinger zeigt.Verschwinde, wenn das dein Ernst ist. Hau ab, du treuloses Mistbeet.«
    Die ersten Tränen liefen ihr jetzt übers Gesicht, aber sie versuchte zu lächeln. Das sah ziemlich grässlich aus. »Miststück, Edgar«, sagte sie. »Das Wort heißt Miststück.«
    »Das Wort heißt so, wie ich es sage«, konterte ich und machte mit den Sit-ups weiter. Die sind verdammt schwierig, wenn einem ein Arm fehlt; der Körper will sich verdrehen und nach dieser Seite abkippen. »Ich hätte dich nicht verlassen, darum geht’s. Ich hätte dich nicht verlassen. Ich wäre durch den Schlamm und das Blut und die Pisse und das verschüttete Bier weiter an deiner Seite geblieben.«
    »Das ist was anderes«, sagte sie. Sie versuchte nicht, sich die Tränen abzuwischen. »Das ist was anderes, und das weißt du genau. Ich könnte dich nicht in Stücke brechen, wenn ich einen Wutanfall kriege.«
    »Für mich wär’s verdammt schwierig, dich mit nur einem Ärmel in Stücke zu brechen«, sagte ich und steigerte mein Übungstempo.
    »Du hast mich mit einem Messer verletzt.« Als ob das der springende Punkt wäre. Das war er nicht, das wussten wir beide.
    »Es war bloß ein Plastikding, ich war nicht richtig bei mir, und das werden deine letzten Worte auf deinem beschissenen Totenbett sein: ›Eddie hat mich mit’nem Plastikding gestochen, leb wohl, du grausame Welt.‹«
    »Du hast mich gewürgt«, sagte sie mit kaum verständlicher Stimme.
    Ich hörte mit meiner Übung auf und starrte sie an. In meinem Kopf war wieder das Uhrengeschäft zu hören; kling-klang, halt dich ran. »Was sagst du? Ich soll dich gewürgt haben? Ich habe dich nie gewürgt!«
    »Ich weiß, dass du dich nicht daran erinnerst, aber du hast es getan. Und du bist nicht mehr derselbe wie früher«
    »Ach, hör auf damit. Heb dir diesen New-Age-Scheiß für den... für deinen...« Ich kannte das Wort und hatte den Mann dazu vor Augen, aber es fiel mir nicht ein. »Für den glatzköpfigen Arsch auf, zu dem du in die Praxis gehst.«
    »Mein Therapeut«, sagte sie, und das brachte mich natürlich noch mehr auf: Sie hatte das Wort, das mir fehlte.Weil ihr Gehirn nicht geschüttelt worden war wie Jell-O-Pudding.
    »Wenn du die Scheidung willst, kannst du sie haben.Wirf alles weg, warum nicht? Aber mach den Alligator gefälligst anderswo. Verschwinde!«
    Sie ging die Treppe hinauf und schloss die Tür, ohne sich noch einmal umzusehen. Und erst als sie gegangen war, wurde mir klar, was ich hatte sagen wollen: Krokodilstränen. Vergieß deine Krokodilstränen gefälligst anderswo.
    Nun ja. Dicht genug dran für Rock’n’ Roll. Das sagt Wireman.
    Und am Schluss war ich derjenige, der auszog.
     
     
     
     
     
     
    III Außer Pam hatte ich in meinem anderen Leben nie eine Partnerin gehabt. Edgar Freemantles Vier Goldene Erfolgsregeln (Sie dürfen gern mitschreiben) lauteten: Leih dir nie einen höheren Geldbetrag als dein IQ mal hundert, borg dir nie etwas von einem Mann, der dich schon beim ersten Kennenlernen mit dem Vornamen anspricht, trinke niemals Alkohol vor Sonnenuntergang, und nimm dir niemals eine Partnerin, die du nicht nackt auf einem Wasserbett würdest umarmen wollen.
    Aber ich hatte einen Buchhalter, dem ich vertraute, und Tom Riley war es auch, der mir half, die wenigen Dinge, die ich brauchte, von Mendota Heights in unser kleineres Haus am Lake Phalen zu transportieren. Tom, ein trauriger zweimaliger Verlierer in der Ehelotterie, setzte mir auf der gesamten Hinfahrt zu. »In einer solchen Situation gibt man das Haus nicht auf«, sagte er. »Außer der Richter schmeißt einen raus. Das ist so, als würde man bei einem Play-off-Spiel auf den Heimvorteil verzichten.«
    Der Heimvorteil war mir egal; ich wollte nur, dass er beim Fahren aufpasste.
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