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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key
Autoren: Stephen King
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fiel es mir ein. »Hol den Spezi her und setz dich um Himmels willen!« Näher kam mein verwirrtes demoliertes Hirn nicht an Stuhl heran.
    Ich war ständig zornig. Es gab zwei ältere Krankenschwestern, die ich Trockenfick eins und Trockenfick zwei nannte, als seien sie Figuren in einer schmutzigen Dr.-Seuss-Geschichte. Es gab eine Lernschwester, die ich Windelpastille nannte - keine Ahnung, weshalb, aber auch dieser Spitzname hatte irgendeine sexuelle Nebenbedeutung. Zumindest für mich.Als ich wieder zu Kräften kam, versuchte ich, Leute zu schlagen. Zweimal versuchte ich, Pam mit einem Messer zu verletzen, und beim ersten Mal gelang mir das auch, obwohl es nur ein Plastikmesser war. Trotzdem musste sie am Unterarm genäht werden. An manchen Tagen musste ich im Bett fixiert werden.
    Woran ich mich aus diesem Teil meines anderen Lebens am deutlichsten erinnere: ein heißer Nachmittag gegen Ende meines Aufenthalts in einer teuren Rehaklinik, die Klimaanlage ausgefallen, ich im Bett fixiert, im Fernsehen eine Seifenoper, in meinem Kopf das Bimmeln von tausend Glocken, Schmerzen, die meine rechte Seite wie ein glühendes Schüreisen verbrennen, mein fehlender rechter Arm juckend, meine fehlenden rechten Finger zuckend, für eine Weile kein Oxycontin fällig (für wie lange, kann ich nicht sagen, weil ich kein Zeitgefühl habe), und aus dem Rot schwimmt eine Krankenschwester heran, ein Wesen, das sich den Affen im Käfig ansehen will, und fragt: »Sind Sie bereit für einen Besuch Ihrer Frau?« Und ich sage: »Nur wenn sie eine Pistole mitgebracht hat, damit sie mich erschießen kann.«
    Man glaubt nicht, dass solche Schmerzen jemals aufhören werden, aber das tun sie. Dann wird man nach Hause verfrachtet und die Schmerzen durch die Agonie körperlicher Rehabilitation ersetzt. Das Rot begann aus meinem Gesichtsfeld zu verschwinden. Ein auf Hypnosetherapie spezialisierter Psychologe zeigte mir ein paar tolle Tricks zur Bewältigung von Juckreiz und Phantomschmerzen in meinem fehlenden Arm. Das war Kamen. Es war Kamen, der mir Reba mitbrachte: eines der wenigen Dinge, die ich mitnahm, als ich aus meinem anderen Leben in das auf Duma Key hinüberhinkte.
    »Dies ist keine anerkannte psychologische Therapie für Wutmanagement«, sagte Dr. Kamen, obwohl er vielleicht auch nur log, um Reba attraktiver zu machen. Er forderte mich auf, ihr einen Namen zu geben, den ich verabscheute. Zwar sah sie wie Lucy Ricardo aus, aber ich nannte sie nach einer Tante, die mich als Kind in die Finger gezwickt hatte, wenn ich nicht alle Karotten aufaß. Ich hatte sie noch keine zwei Tage, als ich ihren Namen vergaß. Mir fielen bloß Jungennamen ein, von denen mich einer wütender machte als der andere: Randall, Russell, Rudolph, sogar River-fucking-Phoenix.
    Inzwischen war ich wieder zu Hause. Pam kam mit meinem Morgenimbiss herein, und ich konnte sehen, dass sie sich auf einen Ausbruch gefasst machte. Aber obwohl ich den Namen der flauschig roten Zornpuppe vergessen hatte, erinnerte ich mich daran, wie ich sie in einer solchen Situation gebrauchen sollte.
    »Pam«, sagte ich, »ich brauche fünf Minuten, um mich unter Kontrolle zu bringen. Ich schaffe das.«
    »Bist du sicher...«
    »Ja, sieh nur zu, dass du diese Kalbsachse rausbringst und in deinen Gesichtspuder steckst. Ich schaffe das.«
    Ich wusste nicht, ob ich es wirklich konnte oder nicht, aber das sollte ich sagen: Ich schaffe das. Ich konnte mich nicht an den Namen der gottverdammten Puppe erinnern, aber Ich schaffe das konnte ich mir merken. Zu den klaren Erinnerungen aus der Genesungszeit in meinem anderen Leben gehört, dass ich immer wieder Ich schaffe das sagte, obwohl ich wusste, dass ich im Regen stand, erledigt, total im Arsch.
    »Ich schaffe das«, sagte ich, und weiß der Teufel, wie ich ausgesehen habe, aber sie ging nur wortlos rückwärts hinaus. Auf dem Tablett, das sie weiter in den Händen hielt, klapperte die Tasse auf der Untertasse.
    Als sie gegangen war, hielt ich die Puppe vor meinem Gesicht hoch und starrte in ihre dämlichen blauen Augen, während meine Fingerkuppen sich in ihren dämlichen nachgiebigen Leib bohrten. »Wie heißt du, du schleimgesichtige Schlampe?«, brüllte ich sie an. Ich kam nie auf die Idee, dass Pam mich über die Sprechanlage zur Teeküche belauschte, sie gemeinsam mit der Tagschwester. Aber wäre die Sprechanlage defekt gewesen, hätten sie mich durch die Tür gehört. An diesem Tag war ich gut bei Stimme.
    Ich schüttelte die Puppe.
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