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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key
Autoren: Stephen King
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Ihr Kopf schwang vor und zurück, und ihre künstlichen I love Lucy- Haare flogen. Ihre blauen Cartoon-Augen schienen zu sagen: Aua, du böser Mann! Wie Betty Boop in einem dieser alten Zeichentrickfilme, die sie im Kabelfernsehen manchmal noch zeigen.
    »Wie heißt du, du Miststück? Wie heißt du, du Fotze? Wie heißt du, du billige, mit Lumpen ausgestopfte Nutte? Sag mir deinen Namen, sonst bringe ich dich um! Sag mir deinen Namen, sonst bringe ich dich um! Sag mir deinen Namen, sonst schneide ich dir die Augen heraus und hacke dir die Nase ab und reiße dir die ...«
    Dann stellte mein Verstand eine Überkreuzverbindung her, was noch jetzt, vier Jahre danach, hier unten in der Stadt Tamazunchale im Bundesstaat San Luis Potosí in Mexiko, Edgar Freemantles Wohnsitz in seinem dritten Leben, manchmal passiert - allerdings weit weniger häufig. Für einen Moment saß ich in meinem Pick-up, im Fußraum vor dem rechten Sitz klapperte mein Schreibbrett gegen den alten Henkelmann aus Stahl (bestimmt war ich nicht der einzige arbeitende US-Millionär, der noch einen Henkelmann mit herumschleppte, aber man hätte uns vermutlich nach Dutzenden zählen können), und mein PowerBook lag auf dem Beifahrersitz. Und aus dem Radio kam die Stimme einer Frau, die mit missionarischem Eifer »It was RED!« rief. Nur drei Wörter, aber drei waren genug. Der Song handelte von einer armen Frau, die ihre hübsche Tochter auf den Strich schickt. Ich hörte »Fancy« von Reba McEntire.
    »Reba«, flüsterte ich und drückte die Puppe an mich. »Du bist Reba. Reba-Reba-Reba. Das vergesse ich nie wieder.« In der folgenden Woche tat ich es doch, aber beim nächsten Mal wurde ich nicht wütend. Nein. Ich hielt sie wie einen kleinen Schatz an mich gedrückt, schloss die Augen und stellte mir den bei dem Unfall demolierten Pick-up vor. Die Stahlklammer des Schreibbretts klapperte gegen den Henkelmann aus Stahl, und dann hörte ich wieder die Frauenstimme aus dem Radio, die mit demselben missionarischen Eifer frohlockte: »It was RED!«
    Dr. Kamen nannte das einen Durchbruch. Er war ganz aufgeregt. Meine Frau wirkte weit weniger aufgeregt, und der Kuss, den sie mir auf die Wange drückte, war von der pflichtschuldigen Art. Ungefähr zwei Monate später erklärte sie mir, sie wolle sich scheiden lassen.
     
     
     
     
     
     
    II Unterdessen waren die Schmerzen entweder erheblich abgeklungen, oder mein Gehirn hatte bestimmte entscheidende Anpassungen vorgenommen, was den Umgang mit ihnen betraf. Die Kopfschmerzen kamen noch immer, aber weniger oft und selten mit solcher Gewalt wie früher: Zwischen meinen Ohren war es nicht mehr immer Mitternacht im größten Uhrengeschäft der Welt. Ich wartete immer sehnlich auf das Vicodin um fünf und das Oxycontin um acht - ich konnte kaum an meiner leuchtend roten kanadischen Krücke humpeln, bevor ich sie eingeworfen hatte -, aber meine zusammengeflickte Hüfte begann zu heilen.
    Kathi Green, die Reha-Queen, kam montags, mittwochs und freitags in die Casa Freemantle in Mendota Heights. Obwohl ich vor unseren Sitzungen ein zusätzliches Vicodin einnehmen durfte, hallten meine Schreie durchs Haus, bevor wir endlich fertig waren. Unser Hobbyraum im Keller war zu einer Therapiesuite umgebaut worden; dort gab es sogar einen behindertengerechten Whirlpool. Nach ungefähr zwei Monaten Folter war ich in der Lage, abends allein dort hinunterzuhumpeln. Kathi sagte, mehrstündiges Training vor dem Schlafengehen würde Endorphine freisetzen und mich besser schlafen lassen.
    Es passierte an einem dieser Trainingsabende - Edgar auf der Suche nach jenen schwer fassbaren Endorphinen -, dass meine Frau, mit der ich seit einem Vierteljahrhundert verheiratet war, in den Keller kam und mir erklärte, sie wolle sich scheiden lassen.
    Ich hörte mit meinen Sit-ups auf und sah sie an. Ich saß auf einer Turnmatte. Pam war vorsichtshalber auf der anderen Seite des Raums am Fuß der Treppe stehen geblieben. Ich hätte sie fragen können, ob das ihr Ernst war, aber das Licht dort unten war sehr gut - all diese Rasterleuchten -, und ich konnte mir das sparen. Ich glaube ohnehin nicht, dass dies ein Thema ist, über das Frauen ein halbes Jahr nach dem fast tödlichen Unfall ihres Ehemanns Scherze machen. Ich hätte sie nach dem Grund fragen können, aber den wusste ich: Ich konnte die kleine weiße Narbe an ihrem Unterarm sehen, wo ich sie mit dem Plastikmesser von meinem Esstablett verletzt hatte, und das war eigentlich nur das
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